Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1
Paula war am Apparat, um Bescheid zu sagen, dass Charlotte einem Treffen zugestimmt hatte.
„Interessant“, meinte Tessy. „Obwohl du mich erwähnt hast?“
„Ja. Daraufhin hat sie zwar erst mal zwei Minuten keinen Ton gesagt, um dann aber kurz und bündig zu erklären, dass sie einverstanden sei: 14 Uhr in der Gemäldegalerie am Potsdamer Platz. Falls Simon ihr folgt, verliert er das Interesse, sobald er mitkriegt, dass Charlotte eine Ausstellung besuchen will“, fügte Paula hinzu. „Wir gucken uns ein paar alte Meisterwerke an und setzen uns dann ins Museumscafé.“
„Gute Idee“, lobte Tessy. Sie war ziemlich gespannt auf die Begegnung.
Charlotte hatte dunkle unruhige Augen, mit denen sie Tessy aufmerksam musterte. Die war sofort fasziniert von der schmalen jungen Frau.
„Ich weiß nicht, ob dieses Treffen eine gute Idee ist“, erklärte Charlotte mit leiser Stimme, als sie in der hintersten Ecke im Museumscafé Platz nahmen. Sie sah Paula an und warf dann Tessy einen forschenden Blick zu. „Und Sie sind wirklich Privatdetektivin?“, setzte sie hinterher.
Tessy nickte. „Wollen wir uns nicht duzen?“
Charlotte nickte zögernd. Sie schien nicht der Typ Frau zu sein, der mühelos Nähe zulassen konnte. Sie war vorsichtig. Das wäre ich an ihrer Stelle auch, dachte Tessy und lächelte sie herzlich an. Charlotte erwiderte es nur ansatzweise. Schade eigentlich. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
„Was genau wollen Sie … wollt ihr eigentlich? Was beschäftigt euch?“, fragte Charlotte einen Augenblick später zögernd und sah Paula auffordernd an. „Wenn ich dich richtig verstanden habe, geht es um Philipps Geschäfte. Könntet ihr deutlicher werden?“
„Philipps glänzende Verkaufsabschlüsse sind ein Aspekt“, erklärte Paula. „Er verdient aufreizend viel mit seinen Antiquitäten: so viel, dass die Konkurrenz ziemlich missmutig geworden ist, wie ich feststellen konnte, als ich im Zusammenhang mit meiner Jobsuche mit dem einen oder anderen sprach. Nun könnte man sagen, dass die schlichtweg neidisch sind. Aber wie du weißt, ist mir bei Philipps Rechnungen die eine oder andere Merkwürdigkeit aufgefallen – was ihm ja so gegen den Strich ging, dass ich sofort gefeuert wurde.“
Tessy beobachtete, dass Charlotte sich zurücklehnte und sehr genau zuhörte. Ihre Hände lagen auf dem Tisch. Zartgliedrige unruhige Hände. Sie wandte Tessy das Gesicht zu. „Und daraufhin hat man dich engagiert?“ Das klang ein wenig ungläubig, zumindest erstaunt.
„So ist es“, bestätigte Tessy. „Philipps Konkurrenten wollten mal genauer wissen, was bei ihm so läuft. Inzwischen ahnen wir, womit er tatsächlich sein Geld verdient. Um ehrlich zu sein – es ist mehr als eine Ahnung.“
Charlotte verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin gespannt.“
Tessy zögerte einen Moment, dann entschloss sie sich, die Katze aus dem Sack zu lassen. Damit ging sie durchaus ein Risiko ein, das war ihr nur allzu bewusst. Andererseits hatte sie nicht das Gefühl, dass Charlotte ein falsches Spiel trieb. Sie verhielt sich distanziert, was nur allzu verständlich war, und sie würden keinen Schritt weiterkommen, wenn Charlotte ihnen misstraute und dicht machte. Ihr Vertrauen gewinnen konnten sie nur mit Offenheit und Ehrlichkeit.
Im Wechsel mit Paula berichtete sie in den nächsten Minuten von den Geschehnissen und Beobachtungen der letzten Tage und Wochen. Als die Rede auf Mark und den Tod seines Freundes Robin kam, der vor gar nicht allzu langer Zeit Wand an Wand mit Charlotte gewohnt hatte, reagierte sie sichtlich erschüttert, nahezu fassungslos. Sie schwieg betroffen, als Tessy und Paula mit ihrem Bericht fertig waren. Schließlich wandte sie Paula das Gesicht zu.
„Ich habe Philipp überreden können, mir den Bürokram stundenweise zu überlassen, und ich kann bestätigen, dass es eine ganze Reihe von Buchungen gibt, die einen stutzig werden lassen – allerdings nur wenn man weiß, worauf man achten muss“, erläuterte sie leise. „Ansonsten hat er einfach eine erfreuliche Bilanz vorzuweisen.“
„Weißt du denn Näheres über seine Geschäfte? Kennst du seine Kunden?“, fragte Paula.
„Nein. Ich habe mich da raus zu halten … Er schottet alles Geschäftliche völlig von mir ab. Wenn euer Verdacht stimmt, wäre das eine Erklärung für sein Verhalten.“
„Zweifelst du eigentlich daran?“, fragte Tessy.
Charlotte wagte ein winziges Lächeln, was ihr hervorragend stand. Ihre
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