Tessy und die Zärtlichkeit des Kommissars
immer.“
„Was ist eigentlich mit der persönlichen Habe Ihres Mannes?“
Tessy erntete einen skeptischen Seitenblick. „Was soll denn damit sein?“
„Verstehen Sie mich bitte nicht falsch – ich suche nach einer möglichen Verbindung zwischen Ihrem Mann und Patrick Riemer, vorrangig in letzter Zeit. Vielleicht gibt es Briefe oder Mails, die Hinweise enthalten“, erklärte Tessy rasch.
„Ach so. Nun, Haus und Inventar müssen natürlich noch aufgelöst werden – Moritz hat zwar bescheiden gelebt und nur das Nötigste angeschafft, aber ein Hausstand bleibt ein Hausstand. Und seine persönliche Sachen hat mein Sohn in zwei Koffern mitgebracht: Unterlagen, Papiere, Schreibkram, seinen Laptop und all so was.“
Tessys Fingerspitzen begannen zu kribbeln. „Und? Ist Ihnen dabei irgendwas aufgefallen?“
Dorothea Sigfeld schüttelte den Kopf. „Es war nichts Besonderes dabei. Mein Sohn meinte noch, dass es ganz schön traurig sei, wie wenig von einem Menschen übrig bleibt. Ach ja, und er erwähnte etwas in der Art, dass der Laptop wohl kaputt sei.“
„Kaputt?“
„Ich kenne mich mit diesem Technikkram nicht besonders gut aus. Wenn ich es richtig verstanden habe, meinte er, dass alles gelöscht sei. Vielleicht ist das beim Flug passiert. Wer weiß – die Strahlen da oben sollen ja einiges bewirken.“
„Ich glaube nicht, dass die Strahlen verantwortlich sind“, widersprach Tessy behutsam und zügelte mehr schlecht als recht ihre Ungeduld. „Sagen Sie, Frau Sigfeld, würden Sie mich einen Blick auf die Sachen werfen lassen?“
Dorothea Sigfeld zögerte einen langen Moment. Dann zuckte sie die Achseln. „Ach, was soll’s – ich glaube, Sie sind vertrauenswürdig. Kommen Sie mit. Ich habe das ganze Zeug im Keller stehen. Irgendwie mochte ich mich noch nicht eingehend damit befassen. Können Sie das verstehen?“
„Und ob.“
Die beiden Kellerräume waren ordentlicher und sauberer als Edgars Wohnzimmer – zumindest vor seiner Abreise nach Bayern. Ein Raum diente als Abstell- und Vorratsraum, im anderen befanden sich Werkzeug und Gartenutensilien. Tessy war ziemlich aufgeregt, als die Hausherrin sie in den Abstellraum führte und auf die beiden Koffer wies. Sofort wuchtete Tessy den kleineren Koffer auf einen alten resopalbeschichteten Küchentisch. Frau Sigfeld öffnete den Deckel und gab den Blick frei auf einen Laptop, einige Programm-CD’s und Computerfachbücher. Natürlich gab es in diesem edlen Kellerverlies auch eine mühelos erreichbare sowie einwandfrei funktionierende Stromsteckerleiste, und Tessy konnte sich sofort davon überzeugen, dass dieser PC zwar noch wusste, dass er ein Betriebssystem hatte, aber damit hatte es sich auch schon. Keine Programme, keine Daten, keine Dokumente.
„Mein Sohn wollte sich das Gerät nächste Woche noch mal genauer ansehen – er ist zurzeit in München an der Uni, wo er einige Vorträge hält. Er ist Geschichtsprofessor.“ Das klang stolz.
„Tja, ich befürchte, da wird auch er nicht mehr viel finden. Die Festplatte ist fast leer“, erwiderte Tessy seufzend. „Sozusagen platt gemacht.“
„Ja, so was Ähnliches sagte er auch.“
„Hat Ihr Mann eigentlich viel am Computer gemacht?“, fragte Tessy, schaltete das Gerät aus und verstaute es wieder sorgfältig.
„Er hat sich damit befasst, musste er ja allein schon beruflich, und natürlich hat er Mails zum Beispiel an die Kinder geschrieben –, aber sonst war er nicht unbedingt versessen darauf, ständig vor dem Bildschirm zu hocken, sondern eher ein bisschen konservativ.“ Sie lachte plötzlich auf. „Wissen Sie, Moritz hat über die Jahre hinweg immer wieder ganz altmodisch Tagebuch geführt – mit Füller und so.“
Tessy bugsierte gerade den zweiten Koffer auf den Tisch. Sie hielt kurz inne. „Auch noch in den letzten Jahren?“
„Das kann ich natürlich nicht beschwören, aber ich halte es für wahrscheinlich.“
„Haben Sie mal genauer nachgesehen, ob …?“
„Nichts dabei“, nahm Sigfeld die Frage vorweg. „Nur das Tintenfass. Sehen Sie selbst.“
Sie hob den Deckel an. Persönliche Dokumente stapelten sich neben Bank- und Versicherungsunterlagen, allerlei Büchern und diversen Papieren auf Spanisch. Ein Lederetui enthielt Stifte, Lineal und ein kleines schwarzes Tintenfass. Doch persönliche Aufzeichnungen in Tagebuchform waren nicht darunter.
„Nichts dergleichen“, stellte Tessy wenig später enttäuscht fest. „Aber wenn er jahrelang Tagebuch geführt
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