Tessy und die Zärtlichkeit des Kommissars
Brummen unter der Haube und spielte einen Moment mit dem Gas, bevor er losfuhr.
Von der nächsten öffentlichen Telefonzelle aus rief er Markus Weingräber an. Das Geld war unterwegs und floss durch verschiedene Kanäle unauffällig in zwei neu gegründete Unternehmen. Alles fügte sich bestens. Auch wenn mal Sand im Getriebe war.
Am späten Abend fuhr er in seinen derzeitigen Lieblingsclub am Prenzlauer Berg. Er hatte Lust auf laute Musik, auf einen guten Drink, eine Runde Poker im Hinterzimmer. Vielleicht ein Mädchen. Beim letzten Mal war einem Typen gegen vier Uhr früh das Bargeld ausgegangen, und er hatte als Einsatz seine Freundin angeboten: pro fünf Minuten einhundert Euro. Niemand hatte etwas dagegen gehabt: Das Mädchen war jung und zart und seinen Preis wert gewesen. Große melancholische Augen, die nichts festhielten, ein verlorenes, aber laszives Lächeln, kleine feste Titten und ein Hintern, der Tim sofort in Fahrt gebracht hatte. Eine Stunde später hatte sie ihm gehört – für genau fünfzehn Minuten. Er hatte nicht ein einzige davon ungenutzt verstreichen lassen, und dabei war es ihm scheißegal gewesen, dass die Kleine irgendeine Droge intus gehabt hatte und nicht unbedingt bei der Sache gewesen war. Allein der Gedanke daran, wie sie vor ihm auf die Knie gegangen war und seinen Schwanz bereitwillig in den Mund genommen hatte, bevor er sie schließlich gepackt, über den Billardtisch gebeugt und unter dem Gejohle der anderen stramm von hinten durchgevögelt hatte, beschleunigte seinen Atem. Vielleicht war der Typ wieder da und hatte zu wenig Bares. Tim spürte, wie er einen Ständer bekam.
Aber seine Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Es war wenig los. Er genehmigte sich einen weiteren Drink und holte sein Handy hervor, um erneut die Fotos zu betrachten, die Tokio Blue ihm geschickt hatte. Tessy Ritter. Passte in kein gängiges Schönheitsideal, aber irgendwie apart. Interessante neugierige Augen. Sieh dich vor, dachte Tim.
Kapitel 9
Sie schlief wie ein Stein und wachte nur auf, weil ihr die Sonne mitten ins Gesicht schien. Es war warm wie im Hochsommer. Tessy warf die Decke beiseite und stieg unter die Dusche, nachdem sie Kaffeewasser aufgesetzt und zwei hungrige Katzenmäuler gestopft hatte. Fürs Zähneputzen nahm sie sich extra viel Zeit – der Nachgeschmack von Dorothea Sigfelds Mirabellenlikör hielt sich beharrlich. Tessy schüttelte sich. Sie frühstückte Flakes mit Joghurt und eine dicke Scheibe Vollkornbrot mit Käse und Salami, während sie auf Spiegel online die neuesten Nachrichten überflog und ihr Postfach prüfte. Bevor sie am Abend todmüde ins Bett gefallen war, hatte sie noch rasch eine Mail an ihren Onkel verschickt und nachgefragt, ob sie ein paar Telefongebühren verbrauchen dürfte. Edgar hatte ihr bereits geantwortet, dass sie natürlich seinen Festnetzanschluss nutzen könnte, um zu recherchieren. Ein Anruf in Spanien dürfte nicht ganz billig sein, aber mit dem Handy würde es ein Vermögen kosten.
Tessy goss sich eine dritte Tasse Kaffee ein und holte das Telefon aus dem Wohnzimmer. Der Apparat war mindestens zwanzig Jahre alt – Tessy war erleichtert, dass er bereits über einen Nummernblock verfügte und sie keine Wählscheibe kurbeln musste. Zehn Minuten später war sie mit dem Büro von Anita Zaldura verbunden. Die Stimme einer wahrscheinlich noch sehr jungen Frau versprach ihr in gutem Deutsch und fröhlichem Ton, dass Señora Anita Zaldura in Kürze zu sprechen sei. Tessy überlegte gerade, ob es sinnvoller war, noch einmal anzurufen, als es in der Leitung klickte und eine andere Stimme an ihr Ohr dran. Deutlich älter, dunkel, rauchig. „Anita Zaldura. Mit wem spreche ich?“
„Mit Tessy Ritter aus Berlin. Guten Morgen, Frau Zaldura.“
„Guten Morgen, Frau Ritter.“ Das klang amüsiert. „Kann ich etwas für Sie tun?“
„Ich hoffe sehr.“
„Erzählen Sie.“
„Hat man Ihnen schon mal gesagt, dass Sie hervorragend Deutsch sprechen?“, fragte Tessy. „Ich höre keinerlei Akzent heraus.“
„Das wird mehrmals täglich lobend erwähnt.“ Zalduras Stimme ließ ein Lächeln vermuten. „Aber das darf Sie nicht wirklich verwundern. Ich bin vor vielen Jahren aus Deutschland ausgewandert und auf Mallorca heimisch geworden.“
„Ach so.“
„Bitte nicht enttäuscht sein.“
Tessy lachte. „Natürlich nicht.“
„Die meisten Menschen freuen sich, mir dieses Kompliment zu machen, und ehrlich gesagt, erwähne ich meinen
Weitere Kostenlose Bücher