Tessy und die Zärtlichkeit des Kommissars
Migrationshintergrund nur in Ausnahmefällen.“
„Ich verstehe.“
Es entstand eine kleine Pause, und Tessy dachte an die Gebühren. „Der Grund, warum ich anrufe, ist ein besonderer“, hob sie an. „Ich möchte mit Ihnen über jemanden sprechen, den Sie wahrscheinlich gut kannten, der in den letzten Monaten auf Mallorca gelebt hat und kürzlich verstorben ist.“
Stille.
Tessy räusperte sich. „Es geht um Moritz Sigfeld.“
Es knisterte in der Leitung.
„Sind Sie noch dran, Frau Zaldura?“
„Ja, ja, natürlich.“
„Ich nehme an, der Name sagt Ihnen etwas“, fuhr Tessy fort. „Jedenfalls habe ich von Dorothea Sigfeld, der Witwe, die in Berlin lebt, erfahren, dass Sie sich um das Haus von Moritz gekümmert und alles Notwendige nach seinem Tod geregelt haben.“
„Ich biete einen Service insbesondere für deutsche Touristen an“, erklärte Anita Zaldura. „Es ist mein Job, mich um alles Mögliche zu kümmern – sogar in diesen traurigen Fällen. In welcher Eigenschaft rufen Sie eigentlich an, wenn ich fragen darf?“
Tessy hatte das deutlich Gefühl, dass Zaldura die Unterredung am liebsten sofort beendet hätte und die Anruferin aus dem fernen Berlin lediglich aus Höflichkeit und vielleicht geschäftlichem Kalkül nicht sofort abwimmelte. Der plötzliche Stimmungsumschwung irritierte sie, aber darüber konnte sie später nachdenken. Zunächst musste sie dafür sorgen, dass die Frau nicht einfach auflegte.
„Moritz war mit einem ehemaligen Kollegen aus der Unternehmensberatung BORMAN befreundet – Patrick Riemer“, berichtete Tessy schnell. „Vielleicht ist der Name mal gefallen.“
„Keine Ahnung. So persönlich war unser Kontakt nicht“, erwiderte Zaldura. „Hören Sie, ich …“
„Patrick Riemer lebt auch nicht mehr. Er ist kürzlich auf sehr unschöne Weise ums Leben gekommen. Die Polizei geht von einem Suizid aus, aber seine Ex-Frau hält das für unwahrscheinlich und hat mich gebeten, privat weiter zu ermitteln.“
„Sie sind Privatdetektivin?“
„Ja, und eine Freundin der Familie.“
„Aber was wollen Sie von mir?“
„Ich suche nach Ansatzpunkten und Hinweisen, die die Hintergründe des Geschehens erhellen könnten“, antwortete Tessy. „Moritz Tod hat Patrick ziemlich erschüttert, und wenige Tage, nachdem er davon erfahren hatte, ist er selbst tot. Angeblich soll er vor seinem Ausscheiden aus der Firma noch Unterlagen gestohlen haben und wurde erwischt … Jedenfalls passt da einiges nicht zusammen, aber die Polizei hat keine Handhabe, solange keine Indizien vorliegen, die weitere Ermittlungen rechtfertigen.“
„Das klingt alles ziemlich verworren, und ich kann Ihnen da auch nicht weiterhelfen, tut mir leid.“
„Jede Kleinigkeit kann wichtig sein.“
„Mag sein. Moritz war ein Kunde. Ein netter Kunde. Nicht mehr und nicht weniger. Er hatte eine Lebensmittelvergiftung und starb später an Herz-Kreislaufversagen. Soviel kann ich Ihnen sagen.“
„Frau Zaldura …“
„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich dieses Gespräch jetzt beenden möchte. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und noch einen schönen Tag.“ Damit legte sie auf.
Tessy nahm den Hörer vom Ohr und betrachtete ihn einen Moment irritiert, bevor sie auflegte. Merkwürdig. Andererseits gab es keinen Grund für Anita Zaldura, besonders freundlich und auskunftsfreudig zu sein – noch dazu am Telefon und einer fremden Frau gegenüber, die sich als Privatermittlerin vorgestellt hatte. Außerdem redeten die meisten Menschen nicht so gerne über Tote – es sei denn, es handelte sich um Prominente. Lady Di. Elvis. Michael Jackson. Tessy seufzte. Schade. Von dem Kontakt hatte sie sich mehr versprochen. Zumindest eine lauwarme Spur.
Knapp zwei Stunden später machte sie sich erneut mit dem Rad auf den Weg zu BORMAN in die Friedrichstraße. Maren Wildorn würde sie kein zweites Mal empfangen, das brauchte sie erst gar nicht zu versuchen, aber vielleicht gelang es Tessy, einen anderen Mitarbeiter in ein Gespräch zu verwickeln. Sie bezog Posten an einem Kiosk auf der gegenüberliegenden Straßenseite, schloss ihr Rad an und kaufte sich eine Illustrierte, in der sie scheinbar interessiert blätterte. Tessy hoffte zum einen, dass außer der Geschäftsführerin auch noch einige andere BORMAN-Angestellte auswärts eine Mittagspause einlegen und an ihr vorbeiflanieren würden, und zum anderen, dass die Fotos, die sie sich von einigen Mitarbeitern neben den Stellenbeschreibungen von der
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