Tessy und die Zärtlichkeit des Kommissars
und ich erzähle Ihnen, was ich recherchiert habe – in genau der Reihenfolge.“
Die Wildorn legte den Kopf in den Nacken und lachte. Dann wurde sie plötzlich ernst. „Na schön. Ich würde mich wohl ähnlich verhalten. Aber ich befürchte, dass Ihnen nicht gefallen wird, was ich zu sagen habe.“
Tessy zuckte die Achseln. „Die ganze Sache gefällt mir nicht besonders, um ehrlich zu sein. Vergessen Sie nicht, dass Patrick ein Freund war.“
„Einer, den Sie nicht sehr gut kannten.“
Tessy stützte ihr Kinn auf die Hand. „Wie meinen Sie das?“
„Er hat in großem Umfang illegale Geschäfte getätigt.“
„Was?“
Wildorn nickte. „Moritz und er haben gemeinsame Sache gemacht.“
„Das glauben Sie nicht im Ernst!“
„Mit Glauben hat das wenig zu tun. Die beiden und einige Helfer haben sehr professionell und äußerst geschickt Gelder veruntreut. Das Geschäft lief über Spanien und ist jahrelang nicht aufgefallen. Als klar wurde, dass Patrick nicht die angestrebte Stelle in der Geschäftsleitung bekommen würde, begann er Fehler zu machen. Er bereitete sein Ausscheiden vor und musste Vorsorge treffen, um seine Nebeneinkünfte auch für die Zeit danach zu sichern …“ Maren lächelte. „Einer seiner Leute hat sich unmissverständlich geäußert – ich hatte schon länger das Gefühl, dass der Mann nicht ganz sauber ist, und habe entsprechend die Ohren gespitzt.“
Sie hat ihn belauscht oder belauschen lassen, dachte Tessy. Sie war fassungslos. „Aber warum erstatten Sie nicht Anzeige? Das muss man doch beweisen können.“
„Es müssten zuviel Interna aufgedeckt werden – und das schadet dem Ansehen von BORMAN. Und natürlich auch meinem. Ich hätte ihm eher auf die Schliche kommen müssen.“
Tessy schüttelte den Kopf. „Aha. Und ein derart ausgebuffter Typ, wie Sie ihn gerade beschreiben – also ein schlauer Kopf mit hoher krimineller Energie, der über lange Zeit unentdeckt ein Unternehmen wie BORMAN und Sie gekonnt an der Nase herumführt, lässt zu Hause geklaute Akten herumliegen und bringt sich um? Wie passt das zusammen?“
Maren Wildorn lehnte sich zurück. „Die Unterlagen waren nicht geklaut: Ich habe dafür gesorgt, dass dieser Eindruck entsteht, um einen Aufhänger für ein Gespräch unter vier Augen mit ihm zu haben und ihm klar zu machen, dass seine Nebengeschäfte entdeckt worden sind. Das hat ihn umgehauen, davon können Sie ausgehen! Andererseits – ja: Vielleicht war es doch kein Suizid. Wer weiß, wer da noch mit drinhängt und in jener Nacht kurzen Prozess mit ihm gemacht hat ...“ Sie spitzte die Lippen. „Mit solchen Leuten ist nicht zu spaßen.“
Tessy schluckte und starrte Maren perplex an. Alles in ihr sträubte sich gegen das, was sie da gerade über Patrick und seine Geschäfte erfuhr. Andererseits …
„Sie können sich vorstellen, dass wir außerordentlich bestrebt sind, so schnell und diskret wie möglich die undichten Stellen ausfindig zu machen“, fuhr Maren Wildorn fort.
„Ja, das zumindest kann ich mir gut vorstellen. Und was erhoffen Sie sich dabei von mir?“
„Sie haben Ihre Fühler weiter ausgestreckt als die Polizei, und jede Information kann sich als entscheidend erweisen.“
Tessy nickte. „Das stimmt. Und weiter?“
„Uns ist Datenmaterial in die Hände gefallen – verschlüsseltes Material, das uns weiterhelfen könnte.“
„Wie verschlüsselt?“
„Mit einem Passwort, das uns sehr interessiert.“
Tessy hielt die Luft an. Maren fixierte sie. „Jetzt sind Sie dran. Wenn Sie uns weiterhelfen, dürfen Sie eine zweite Rechnung schreiben. BORMAN ist großzügig.“
Tessys Gehirn lief auf Hochtouren. In Patricks Arbeitszimmer hatte sie keinerlei Speichermedien gefunden, aber Patrick hatte nach Aussagen von Hickhack einen Stick besessen, der mit einem Passwort gesichert war, das er nicht knacken konnte ... Maren berührte kurz Tessys Hand. „Nun?“
„Das klingt überzeugend“, sagte Tessy langsam. „Nur eines stimmt mich nachdenklich: Patrick war selbst auf der Suche nach einem Passwort für einen USB-Stick – das weiß ich aus sicherer Quelle. Wie erklären Sie sich das, wenn er doch angeblich einer der Mistkerle war, die die Firma betrogen haben?“
Maren stutzte nur kurz, dann lächelte sie. „Das ist ein interessanter Hinweis. Ich gehe davon aus, dass er in den letzten Tagen bei BORMAN Datenmaterial mitgehen ließ, das er zu knacken versuchte. Wir sichern und verschlüsseln natürlich sensible Daten. Und
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