Tessy und die Zärtlichkeit des Kommissars
sie, alles, was mit ihrem Job zu tun hatte, grundsätzlich extern zu sichern. Sie notierte ihre Gedanken und schrieb einige Mails. Später versuchte sie erneut, Anita Zaldura zu erreichen: vergeblich. Bei Gertrud hatte sie auch kein Glück. Vielleicht war sie mit Lockenkopf-Leila beschäftigt. Na schön. Tessy verkniff sich einen Anruf bei Dirk und versuchte es bei Dorothea Sigfeld.
Die nahm nach dem zweiten Klingeln ab. Ihre Stimme klang angespannt. „Ja, bitte?“
„Hallo, Frau Sigfeld, hier spricht Tessy Ritter – Sie erinnern sich an mich? Ich war vorgestern …“
„Selbstverständlich. Mein Gedächtnis funktioniert noch ganz gut.“
„Prima. Ich habe eine Bitte, Frau Sigfeld. Wir haben uns bei meinem Besuch den Laptop Ihres Mannes angesehen.“
„Ja“, bestätigte Sigfeld einsilbig – erstaunlich einsilbig, fand Tessy, die Moritz Ex-Frau als preisverdächtige Plaudertasche in Erinnerung hatte.
„Ich habe den PC-Fachmann ausfindig gemacht, der Ihrem Mann diesen Computer zusammengebaut hat, und ich würde ihm das Gerät gerne zeigen. Vielleicht lassen sich ja doch noch Daten retten, oder es finden sich zumindest Hinweise darauf, was mit dem PC passiert ist.“
„Ich weiß nicht …“
Tessy seufzte innerlich. „Ich würde den Laptop abholen und natürlich wieder zurückbringen. Unversehrt und so schnell wie möglich.“
„Hm, vielleicht sollte das lieber doch mein Sohn machen. Wissen Sie …“
„Geht es Ihnen nicht gut, Frau Sigfeld?“, unterbrach Tessy sie plötzlich. „Sie klingen … irgendwie, ja: angestrengt, wenn ich das so sagen darf.“
„Ja, so könnte man es wohl ausdrücken. Wissen Sie, es ist etwas Merkwürdiges passiert. Oder auch nicht. Ich bin etwas durcheinander.“
Tessy spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. „Möchten Sie darüber reden?“
„Ach, so wichtig ist es auch wieder nicht.“
„Ich bitte Sie – erzählen Sie schon!“
Dorothea Sigfeld seufzte. „Na schön. Ich war heute Nachmittag unterwegs. Einmal in der Woche treffe ich mich mit meinen drei Freundinnen zum Kartenspielen. Klingt altmodisch, ist es wahrscheinlich auch, macht aber Spaß. Zwei, drei Stündchen gehen dabei immer ins Land, mindestens. Als ich vorhin nach Hause kam, fing mich mein Nachbar ab – der alte bucklige Achim: Der Gute kann kaum noch kriechen, geht aber jeden Tag einkaufen und bekommt alles mit, was sich in der Nachbarschaft tut. Häufig mehr, als einem lieb sein kann. Na ja … Jedenfalls erzählte er mir, dass jemand auf meinem Grundstück war – ein junger Mann.“
„Vielleicht der Postbote oder ein Paketdienst?“, schlug Tessy vor, aber ihr Puls hatte sich deutlich beschleunigt.
„Habe ich auch erst vermutet, aber er trug laut Achim keine Arbeitskluft, und ein entsprechendes Auto stand auch nicht auf der Straße. Worauf der Mann so alles achtet! Außerdem fand sich kein Zettel im Briefkasten.“
„Irgendein Vertreter?“
„Das war auch mein Gedanke. Ich habe mich dann aber doch sicherheitshalber in aller Ruhe im Haus und im Garten umgesehen.“
„Und?“
„Nichts“, sagte Sigfeld. „Außerdem habe ich ja eine Alarmanlage, die ich immer aktiviere, und wenn ich immer sage, meine ich auch immer. Der bucklige Achim sieht wohl allmählich Gespenster ... Mulmig ist mir aber doch. Schließlich wohne ich ganz alleine.“
Tessy beschlich ein dumpfes Gefühl. „Frau Sigfeld, mir kommt da gerade eine Idee: Gehen Sie doch mal spaßeshalber in den Keller und überprüfen Sie die Kartons von Moritz.“
„Im Ernst?“
„Ja. Nehmen Sie das Telefon am besten mit.“
„Gut, wie Sie meinen.“
Eine Weile hörte Tessy nur Schritte und Rascheln, dann ein leises Stöhnen. „Frau Ritter, hören Sie mich?“
„Ja, na klar! Alles in Ordnung bei Ihnen?“
„Wie man es nimmt – der Laptop ist verschwunden.“
„Haben Sie genau nachgesehen?“
„Halten Sie mich für total vertrottelt?“
„Überhaupt nicht“, wehrte Tessy ab. „Aber wie das manchmal so ist …“
„Ein Irrtum ist ausgeschlossen“, betonte Dorothea Sigfeld mit zittriger Stimme. „Beide Kartons sind durchwühlt worden, das sehe ich sehr genau –, und der PC fehlt. Auf die Idee, bei Moritz Sachen nachzuschauen, bin ich vorhin gar nicht gekommen. Was hat das zu bedeuten?“
„Das wüsste ich auch gerne. Ich kenne jemanden bei der Kripo, den ich erstmal anrufe, und dann melde ich mich wieder bei Ihnen. Okay?“
„Na gut, wie Sie meinen …“
Tessy unterbrach die Verbindung. Ihr
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