Testobjekt Roter Adler
und dann war es soweit.
»Viel Glück«, rief mich Kiny an. »Ich habe alles mitgehört. Wir werden die Abwehrraketen sicherheitshalber frühzünden. Vielleicht versagen Ihre Marsgeräte. Die Jäger lenken wir um. Sie bekommen genügend Zeit. Ich starte zusammen mit Reling. Peilen Sie mich schnellstmöglich ein. Die Stimme des unbekannten Sprechers haben wir auf Band gespeichert. Corvic weiß nicht, daß TS-19 einen hochempfindlichen Mikrosender in der Kanzel vergessen hat.«
»Flugleitung an EURO-BO-1245, sind Sie wahnsinnig geworden?« drang die Stimme aus dem Lautsprecher.
Wir hörten sie kaum. Das Tosen der auf Vollschub laufenden Normaltriebwerke verschlang jeden Ton.
Der Bomber rollte an; viel zu langsam nach meinem Geschmack. Wenn in den zahlreichen Abwehrstellungen irgendeinem Kommandooffizier die Nerven durchgingen, oder wenn er die verschlüsselten Geheimbefehle nicht richtig verstanden hatte, dann wurden wir in Atome verwandelt, bevor wir abheben konnten.
Die für kleine Jäger vorgesehene Piste war nur vier Kilometer lang. Das bedeutete für einen Orbitbomber vom Range der 1245 überhaupt nichts! Beim Normalstart benötigte sie etwa zehn Kilometer.
»Corvic, das Plasmatriebwerk früher zünden als vorgeschlagen«, schrie ich ihm über die BzB-Verbindung zu. Wir hatten die Kabelstecker in die Buchsen unserer Helme geschoben. »Zünden Sie jetzt schon. Sie kommen mit den Chemoaggregaten nicht hoch. Zünden Sie.«
Ich bemerkte die robothaft erscheinenden Griffe des Co-Piloten. Den schweren Plutoniumreaktor im Mittelteil des Rumpfes hatte er bereits vor dem Einschwenken auf die Rollbahn auf Leistung hochgefahren.
Die von den Hilfsstartmotoren angetriebenen Ansaugturbinen liefen mittlerweile mit zwölftausend Umdrehungen. Die Fernanzeigen des Wärmeaustauschers, in dem die angesaugten Luftmassen erhitzt werden mußten, ehe sie schubkräftig expandierend aus der Heckdüse schossen, wiesen aber noch nicht die erforderliche Arbeitstemperatur auf.
»Das geht schief!« teilte mir Hannibal mit. »Er hätte sofort umschalten müssen.«
Ich achtete nicht auf seinen Einwurf. Unsere Fahrt wurde immer schneller, aber noch lieferten die Flächen keinen Auftrieb. Ich sah, wie Corvic den Knüppel versuchsweise nach hinten zog. Der Bomber reagierte nicht.
Knapp tausend Meter vor dem Platzende sprang die Wärmekontrolle endlich auf Grünwert. Der Co-Pilot hieb auf den Zündschalter.
Das Donnern der Chemotriebwerke wurde nichtig. Ein urweltliches Aufbrüllen verriet mir, daß nun hinter dem Heck des Bombers ein grellweißer Feuerball stand.
Die Maschine ruckte so hart an, daß sich die Kunsthaut meiner Maskenfolie in die Breite zog.
Die Zweistufenschaltung erfolgte automatisch. Das aus erhitzter Luft bestehende Arbeitsmedium wurde durch eine Zusatzschaltung zu Plasma. Das geschah, als sich die Bugräder des Bombers etwa fünfzig Meter von dem Steilhang entfernt befanden.
Vor uns erstreckte sich die endlose Wasserfläche des Pazifik. Corvic riß genau in der Sekunde den Knüppel nach hinten, als die huschenden Farbsymbole der Piste aus unserem Blickfeld verschwanden.
Röhrend schoß der Bomber über den Hang hinaus, sackte leicht durch, dann fing er sich endlich.
Corvic zog die 1245 langsam hoch. Dicht über dem Wasser erreichte er nach wenigen Augenblicken die zweifache Schallgeschwindigkeit. Damit begannen die gefürchteten thermischen Probleme der Hitzemauer.
Das beschußverdichtete Material konnte etwa eintausendachthundert Grad Celsius ohne Festigkeitsverluste ertragen. Was darüber hinausging, wurde kritisch.
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