Teufel in High Heels
angebrüllt, und? Das passierte Millionen von Angestellten tagein, tagaus. Damit sollte ich wohl fertig werden. Ich war es bloß schlicht und einfach nicht gewöhnt. War mein ganzes Leben lang wohlbehütet worden. Um nicht zu sagen, verhätschelt. »Gib einfach dein Bestes, mehr braucht es nicht, damit wir stolz auf dich sind«, hatten meine Eltern mir stets versichert. Eine Eins bloß für den guten Willen. Und Jackson war nach dem gleichen Prinzip verfahren. Gewiss, sie hatten in bester Absicht gehandelt - und damit aus mir eine dünnhäutige Schisserin gemacht.
Doch jetzt hatte ich deutlich mehr Verantwortung zu tragen, und das hieß unter anderem auch, die Dinge selbst geregelt zu kriegen. Randall hatte vollkommen recht.
Nach dem zweiten rasch gekippten Glas Wein fühlte ich mich schon eine Spur besser als bei meinem überstürzten Abgang vom Büro. Die Tränen waren versiegt, in meinem Hirn herrschte erschöpfte Ruhe. Und dennoch - darunter verborgen lag immer noch ein rabenschwarzer Verdacht, ein Nachhall von Vivians flammendem Zorn, den nicht mal ein See von Chardonnay zum Erlöschen gebracht hätte.
Gesetzt den Fall, Vivian befände mich für so unfähig, dass sie beschloss, mich zu feuern? Ein ungeheuerlicher Verdacht, den ich meinem superbrillanten Freund beim besten Willen nicht eingestehen konnte, aber bei Grant Books wurden bekanntlich dauernd Leute vor die Tür gesetzt. Dann war ich arbeitslos - und musste am Ende nur ein paar Monate nach meinem Ausstieg wieder bei P&P angekrochen kommen. Wie demütigend! Wenn ich Vivians Zorn erregte, indem ich Freitag spätabends noch malochte, wie lang mochte es dann
dauern, bis mir ein Tacker um die Ohren flog und ein Kündigungsschreiben auf meinen Schreibtisch flatterte? Vivian entledigte sich ihrer Angestellten so gedankenlos und regelmäßig, wie andere Leute ihren Papierkorb leeren.
Ich gab der Kellnerin einen Wink zum Nachschenken. Die Hoffnungen, die ich vor fünf Monaten gehegt hatte - dass ich mich bei Grant als Lektorin bewähren, tolle Bücher entdecken und meine Karriere um etliche Schritte vorantreiben würde -, erschienen mir jetzt trügerisch. Wem wollte ich, Claire Truman, etwas vormachen? Ich war das reinste Kind, und obwohl ich mich für das tägliche Pensum regelmäßig halb umbrachte, fehlte es mir letztlich vielleicht doch an der nötigen Erfahrung für so viele Projekte auf einmal. Vielleicht war ich dem Job ja tatsächlich nicht im Mindesten gewachsen.
»Nun guck doch nicht so verstört, Claire-Bär«, sagte Randall - das war sein neuer Kosename für mich. Er rubbelte sanft an meiner Schulter. »Vielleicht ist es den Stress ja letzten Endes nicht wert. Vielleicht -«
»Auf keinen Fall«, unterbrach ich ihn mit einem energischen Kopfschütteln. So angeknackst ich auch war, kündigen kam nicht in Frage, das stand für mich fest. Ich hatte gelobt, ein Jahr durchzuhalten, und es bedurfte mehr als eines Rückschlags, um mich aus der Bahn zu werfen. »Ich werd’s ihr schon zeigen«, murmelte ich, mehr an meine eigene als an Randalls Adresse gerichtet, und nahm einen großen Schluck aus meinem Weinglas. Ich musste mich einfach mehr anstrengen, das war’s.
»Das wirst du, Schätzchen, ganz bestimmt«, machte Randall mir Mut. »Du bist ein Riesentalent, Vivian Grant kann sich glücklich schätzen, dass sie dich hat. Und das weiß sie
auch - sie hatte einfach einen schlechten Tag, und du bist zufällig in ihre Schusslinie geraten. Das renkt sich sicher alles wieder ein, Claire-Bär.«
»Danke, Randall«, sagte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Mir geht’s schon wieder besser.« Als Bea-Ersatz hatte er sich wacker geschlagen.
»Das freut mich.« Im Gegenzug bekam ich einen Kuss auf die Nase. »Wie gesagt, Hauptsache, du guckst nicht mehr so verstört. Ich wünschte bloß, ich müsste nicht noch mal zurück ins Büro« - er sah stirnrunzelnd auf seine Uhr -, »aber wenn ich das Memo heute nicht fertig kriege, muss ich mich morgen damit herumschlagen.«
»Nein, ich komm schon zurecht, versprochen«, beruhigte ich ihn. Insgeheim jedoch krampfte sich mein Herz zusammen bei dem Gedanken, allein in meiner Wohnung zu sitzen. Heute war mir ganz und gar nicht danach, meinen Gedanken … oder schlimmer noch, der Erinnerung an Vivians Worte nachzuhängen. Ich konnte natürlich zu Randall fahren und dort auf ihn warten - aber wer wusste schon, wie lange er noch im Büro festhängen würde, und allein mit Svetlana fühlte ich mich in seiner
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