Teufels Küche
sahen Haere noch einmal mit einem nachdenklichen Blick an und setzten sich dann hinten in den Volvo. Der Wagen raste davon.
Haere stand auf. Seine Knie fühlten sich an, als ob sie unter ihm nachgeben würden, darum stützte er sich mit den Händen auf den Tisch, hielt den Kopf gesenkt und schnappte in großen Zügen keuchend nach Luft. Als das Zittern endlich nachließ, schaute er auf. Die Leute starrten ihn an. Sie hatten sich von ihm zurückgezogen, bis keiner näher als sieben Meter von ihm entfernt war. Haere ging langsam zwischen den Tischen hindurch zum Bürgersteig. Er blickte auf die Stelle, an der der Hilfskellner gelegen hatte. Dort war eine große, dicke Blutlache. Haere starrte für ein paar Sekunden auf sie hinab, drehte sich dann langsam um und ging nach Westen in Richtung des Intercontinental davon.
Im Präsidentenpalast hatte man Morgan Citron fast eine Stunde lang in einem Vorzimmer vor einer fünf Meter hohen Doppeltür warten lassen, durch die Tighe und Yarn verschwunden waren. Citron wartete nicht allein. Ihm gegenüber auf der anderen Seite des Raums saßen in Uniform ein junger Hauptmann und ein noch jüngerer Leutnant, die beide mit M-16-Gewehren bewaffnet waren. Die Gewehre waren auf Citron gerichtet, eines auf seinen Kopf, das andere auf seinen Bauch. Die Finger der beiden Offiziere lagen auf dem Abzug. Die Sicherungsflügel waren umgelegt. Citron saß praktisch regungslos da, erinnerte sich daran, wie er zum letzten Mal durch eine solche Doppeltür gegangen und ihm ein Diamant geschenkt worden war. Dieses Mal erwartete er kein Geschenk.
Einer der beiden fünf Meter hohen Flügel wurde geöffnet, und Tighe erschien. »Okay, Morgan.«
Citron stand auf und folgte Tighe durch die gigantische Tür in einen Raum, der für jeden anderen vorstellbaren Zweck als ein Staatsbankett zu groß war. Es war ein dunkler Raum, der durch schwere Vorhänge, die eine lange Fensterreihe bedeckten, noch dunkler wurde. Citron vermutete, daß die Fenster auf den Hof hinausgingen, über den man auf die Straße gelangte. Der gesamte Raum war mit dunklem Holz, das fast schwarz zu sein schien, getäfelt. Die Täfelung steigerte die Düsternis noch.
Citron folgte Tighe über mehrere große, alte und sehr kostbar wirkende Orientteppiche an einem langen Bibliothekstisch vorbei, auf dem die jüngsten Ausgaben von The Economist, Business Week, Time, National Geographie und People ausgelegt waren. Citron las die Titel der Zeitschriften im Vorbeigehen auf dem Weg zu dem Schreibtisch am hinteren Ende des Raums. Der Schreibtisch hatte die Größe eines Eßtischs, an dem zwölf Personen bequem Platz fänden, und war aus dem gleichen dunklen Holz angefertigt wie die Täfelung.
Auf der rechten vorderen Ecke des Schreibtischs, die Beine übereinander geschlagen, die Hände um das Knie zusammengelegt, hockte Generaloberst Rafael Carrasco-Cortes. Drei Ledersessel waren vor den Schreibtisch geschoben worden. Auf einem der Sessel saß Yarn. Carrasco-Cortes lächelte Citron entgegen und deutete auf den mittleren Sessel. »Bitte«, sagte er. Citron nahm auf dem mittleren Sessel Platz, und Tighe setzte sich neben ihn.
»So«, sagte der General, »Sie sind der Sohn von Gladys, hmm?«
Citron nickte. Der General seufzte. »Was sollen wir bloß mit Ihnen machen, hmm?«
»Warum setzten Sie mich nicht in das nächste Flugzeug, das das Land verläßt?«
Der General lächelte und ließ sich von der Schreibtischecke heruntergleiten. Er war nicht in Uniform. Statt dessen trug er einen blauen Nadelstreifenanzug mit Weste und ein weißes Hemd und eine blau und grau gestreifte Krawatte. Während er um den Schreibtisch herumging, fragte Citron sich, ob der General und Draper Haere ihre Anzüge in dem gleichen Geschäft kauften.
Der General setzte sich, öffnete eine Schublade, nahm ein Papiertaschentuch heraus, setzte seine randlose Bifokalbrille ab und begann, sie zu polieren. Ohne Brille sahen seine Augen beinahe verwirrt aus. Citron wußte, daß sie das nicht waren.
Immer noch seine Brille polierend, sagte der General: »Ich muß Sie bitten, Morgan, etwas zu tun.« Er blickte auf. »Hoffentlich haben Sie nichts dagegen, daß ich Sie Morgan nenne, aber ich kenne Ihre bemerkenswerte Mutter seit so vielen, vielen Jahren, daß Sie Mr. Citron zu nennen, mir das Gefühl gäbe – nun ja, alt zu sein.« Er lächelte und setzte seine Brille wieder auf.
»Um was wollen Sie mich bitten?« fragte Citron.
»Ich möchte Sie bitten, mir genau
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