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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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drin.«
    Tatsächlich hatten die Fesseln keine Schnallen, sondern die Riemen wurden mit Schließknöpfen aus schwarzem Plastik zusammengehalten. Sie klackten leise, wenn er sich schüttelte.
    »Tut mir so leid«, sagte Annika.
    Sie nahm eine Schachtel voller Schließknöpfe von der Fensterbank und las vor, was auf der Packung stand: »Segufix. Das humane Fixiersystem. So viel Freiheit wie möglich bei so wenig Fixierung wie nötig.«
    »Freiheit?«, sagte Xaver. »Ich kann mich kein Stück weit rühren. Aber immerhin nett, dass die dich reingelassen haben.«
    Im Überwachungsfenster zum Dienstzimmer bewegte sich die Jalousie.
    »Haben die nicht. Und ich stehe im toten Winkel.«
    Xaver betrachtete die Sommersprossen unter Annikas schattigen Augen. Nicht nur ihr Arsch, auch die kleinen Flecken mit ihren unscharfen Rändern hatten etwas Versehrtes an sich. Annika biss an ihren Fingern herum.
    »Ich wollte dich um einen Rat bitten«, sagte sie schließlich. »Du kannst doch so gut mit der Sylvia. Ich habe was rausgefunden, was sie betrifft. Und ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    »Erzähl mal.«
    »Kennst du Jago Kapusta? Sie ist mit mir auf einem Zimmer.«
    »Die wilde Kapusta?«, fragte Xaver, »die ständig abhaut?«
    »Sie ist die Geliebte von Sylvias Mann.«
    »Dem Anwalt?«
    »Ja.«
    »Er hat eine Frau auf der A und eine Geliebte auf der B?«
    »Aber er weiß es nicht«, sagte Annika, »er weiß nicht, dass Jago Patientin ist. Er hat sie hier bei einer Führung kennengelernt, er denkt, sie sitzt bei Lightwatch am Fließband. Und sie weiß nichts von seiner Frau auf der A. Jago haut ständig ab, um ihn zu treffen. Sie liebt ihn. Schon seit Monaten.«
    »Meine Güte.«
    »Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll«, sagte Annika. »Wenn die Sache auffliegt, bringt sich noch jemand um.«
    »Die arme Sylvia.«
    »Was soll ich bloß tun?«
    »Du musst jemanden finden, der die Schrift auf deinen Flügeln liest.«
    »Was?«
    »Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte Xaver. »Ich habe die Wirbel meines Vaters gesehen, in einer dunklen Grube, und ich habe ihn nichts gefragt. Ich war Parzival. Die Ärzte hier sind alle Parzivale. Du musst hier weg, Annika.«
    »Und Sylvia? Und Jago?«
    »Auch die müssen weg. Hier ist es nicht sicher.«
    »Aber was soll ich denn machen? Soll ich es Jago sagen? Oder Sylvia? Oder ihrem Mann? Oder keinem?«
    Draußen piepte das Signal der Panzerglastür, dann brüllte jemand im Flur, es klang nach Vosskamp. In den Pausen erkannte Xaver die Stimme von Neef. Schließlich wurde die Tür aufgerissen, und beide kamen herein. Vosskamp trug keinen Kittel.
    »Entschuldigung, ich gehe ja schon«, stotterte Annika, aber die Ärzte beachteten sie nicht. Vosskamp war rot im Gesicht, und Neef fummelte mit seiner Klickbrille herum.
    »Was haben Sie ihm gegeben?«, fragte Vosskamp.
    »Lorazepam«, sagte Neef, »acht Milligramm, intravenös.« Sein weiches Gesicht war blass, er sah Vosskamp gerade in die Augen.
    »Wie konnten Sie nur?«, rief Vosskamp.
    »Lorazepam ist sein Bedarfsmedikament.«
    »Ich habe das nicht genehmigt!«
    »Aber es war ein Notfall. Herr Walpersdorf war fremdgefährdend. Er hat die Scheibe zum Dienstzimmer zerschlagen.«
    »Was ist denn das für ein Ton?«, Vosskamps Stimme wurde leise und kam zwischen den Zähnen hervor.
    »Entschuldigung«, sagte Neef, »aber die Fixierung war notwendig. Jeder hier kann das bestätigen.«
    »Nein, das war sie nicht. Und Sie hätten mich fragen müssen. Herr Walpersdorf ist mein Patient. Mit dem Lorazepam blockieren Sie seine Schreibtherapie. Und die ist seine einzige Chance.«
    »Aber in der Kurve steht, dass er im Bedarfsfall Lorazepam kriegt«, sagte Neef. »Bis zu acht Milligramm.«
    Vosskamp machte einige Wischbewegungen mit den Händen in Richtung Tür. »Gehen Sie weg, ich will Sie nicht mehr sehen.«
    Neef stand einen Augenblick mit geöffnetem Mund da, dann drehte er sich abrupt um und verließ das Isolierzimmer. Annika folgte ihm rasch. Vosskamp stellte sich an die Milchglasscheibe, und wie schon am Vormittag umfasste er sein linkes Handgelenk mit der rechten Hand und ließ die Finger spielen. Sein Jackett war verknittert und stand über dem Hintern ab.
    Heute ist wohl der Tag der Ärsche, dachte Xaver. Er war nicht zugedeckt, ihm war kalt.
    »Was ist passiert?«, fragte Vosskamp und spielte heftig mit den Fingern. Xaver hörte, wie die Finger auf den Handballen schnappten.
    »Die Aufklärung hat versagt«, sagte er.
    Vosskamp drehte

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