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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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Griff? Nicht, dass Sie sich wieder schlagen?«
    »Nein, ich kriege das schon hin.«
    »Gut. Selbstverantwortung fördert die Heilung. Aber es kommt ein Pflegeschüler mit, und Sie bleiben auf dem Gelände.«
    Sylvia musste vor dem Dienstzimmer auf einer Liste unterschreiben, wie lange sie im Ausgang bleiben wollte.
    »Viel Spaß«, sagte Schwester Dagmar, »und Sie machen keine Dummheiten?«
    »Nein«, versprach Sylvia.
    Die Schwester reichte dem Pflegeschüler ein Telefon.
    »Sie melden sich, wenn es Frau Berger schlecht geht?«
    »Natürlich.«
    Unten in der Halle angekommen, war Sylvia außer Atem, und ihr war schwindelig. Die Echos der Schritte und Stimmen in der Halle und die sphärischen Klänge der Hintergrundmusik rauschten ihr in den Ohren, die Leute kamen ihr wuselig vor, batteriebetrieben, die Welt war ein ratterndes, pfeifendes Gerät, das schaukelte und sich überall drehte. Jeder kannte seinen Platz in diesem Gerät und wusste, wo man langgehen musste, um nicht von Rädern zerdrückt zu werden oder in ein Feld aus stampfenden Schraubschlüsseln zu stürzen, nur Sylvia wusste das alles nicht mehr.
    Sie blieb stehen und strich sich mit beiden Händen übers Gesicht. Erst nach einer Weile konnte sie weitergehen. Am Arm des Pflegeschülers verließ sie das Gebäude und betrat den Park.
    Draußen sah sie die Aura der Heuschrecken, die sich über die Klinik legte. Sie hatte sich lange davor gefürchtet und zugleich darauf gehofft. Sie wanderte den Weg entlang, zwischen den Bäumen hindurch. Die Bäume waren Hologramme, Sehnsuchtsbilder, die aus dem Nichts gekommen waren und jederzeit wieder verschwinden konnten. Sylvia mochte das Heuschreckenartige der Bäume, die spitzen Winkel der Äste, die Plötzlichkeit ihres Anblicks. Gleichzeitig fürchtete sie sich vor ihnen.
    Die Spaziergänger zwischen den Bäumen sahen sie an, ihre Augen glühten. Auch die Spaziergänger waren Heuschrecken, von Menschprojektionen verdeckt. Sylvia hatte die ganze Woche lang versucht, das den Ärzten zu erklären, aber sie war nicht sicher, ob irgendjemand sie verstanden oder überhaupt zugehört hatte. In den Visiten wurde sie dauernd gefragt, ob sie noch Heuschrecken sah. Aber sie sah keine Heuschrecken, sondern die Heuschreckenhaftigkeit der Welt.
    Langsam ging sie zurück in die Cardea.
    Annika saß im Fernsehsessel. »Ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet, Sylvia. Ich muss dir doch was sagen.«
    Sylvia hängte ihren Mantel auf. Der Haken fand die Schlaufe nicht, der Mantel fiel lautlos auf den Boden. Zweimal hob Sylvia ihn wieder auf, bis er endlich an der Garderobe hängen blieb.
    »Ach Annika, du musst dich nicht um mich kümmern.«
    Sie öffnete die Badezimmertür und trat in das grüne Licht, zwischen die lackierten Edelstahlplatten.
    »Sylvia!«, rief Annika.
    Sylvia drehte sich ein letztes Mal um.
    »Behalte es einfach für dich«, sagte sie. »Was immer du mir sagen wolltest. Es ist nicht mehr wichtig. Das Ende ist nahe.«
    Sie schloss die Tür, und endlich begann sie zu beten: »Ich hoffe, ich kann lachen, lieber Gott. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Ich hoffe, ich kann lachen, lieber Gott. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Ich hoffe, ich kann lachen, lieber Gott. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Ich hoffe, ich kann lachen, lieber Gott. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Wenn es dich gibt, beschütze mich. Wenn es dich gibt, beschütze mich.«
    Aber sie wusste nicht, ob sie es noch war, die sprach, oder ob der magnetische Quader in ihrem Kopf diese Worte vorgab. Das Bad war voller Gestalten mit hohen Beinen und langen Gesichtern, mit Kronen und Löwenzähnen. Sie hatten auf Sylvia gewartet, um auf den Schrilladern ihr letztes Lied anzustimmen. Sylvia sang mit, erst leise, dann immer lauter.

Never run
    S eit zwei Tagen hatte der Kapitän kein Wort mehr gesprochen, sein kleines Gesicht war leer geworden. Falko kannte diese Form der Leere nicht. Bislang hatte er die Leere als einen Platzhalter begriffen; dem leeren Gesicht seiner Ex zum Beispiel fehlte Neugier, dem seiner Mutter Bildung. Aber die Leere in Friedrichs Gesicht war radikal, ihm fehlte gar nichts. Seine Züge waren holzig geworden.
    Es war Sonntagmorgen, und sie saßen sich am Tisch gegenüber, Friedrich mit dem Rücken zum Fenster.

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