Teufelsflut
Labors befand sich eine runde Steinmauer mit etwa zwei Metern Durchmesser, die Dr. Goslar bis zur Hüfte reichte und entfernt an einen Brunnen erinnerte. In Wirklichkeit war sie das obere Ende einer riesigen Feuerstelle, an deren unteren Ende, zehn Meter unterhalb des Labors, gelbliche Flammen züngelten.
Dieses Feuer heizte nicht nur das Turmzimmer, sondern diente auch noch einem anderen Zweck: In seiner Glut konnte man gut Material verschwinden lassen, das nicht für neugierige Augen bestimmt war. Die Hitze der Flammen äscherte augenblicklich alles ein, was in das Feuer fiel.
An der Decke des Raumes liefen mehrere durchsichtige Röhren entlang, die große, kugelförmige Glasbehälter miteinander verbanden. In den Behältern befand sich eine Flüssigkeit, die auf ihrem Weg durch die Röhren mehrere Filter durchlaufen musste, bevor sie schließlich in einen großen Kanister tropfte, der auf einem der Labortische stand. Der Kanister war gerade mal zu einem Viertel gefüllt. Bis er ganz voll war, würde es noch einige Zeit dauern.
Auf einem anderen Tisch standen zwei Kanister, die bereits gefüllt waren. Sie bestanden aus extrastarkem, annähernd unzerbrechlichem Plexiglas, wie man es auch für die Kanzeln von Hubschraubern verwendete, und waren mit großen Schraubdeckeln verschlossen. In jedem befand sich genügend von Goslars Agens, um mindestens fünfzig Millionen Menschen zu töten, würde man es in die Trinkwasserversorgung eines dicht besiedelten Landes einschleusen oder aus Raketen über Ballungsgebieten versprühen.
Im Grunde genommen war das Labor nichts weiter als eine große Destille, in der dieses teuflische Gebräu hergestellt wurde. Goslar sah auf die Uhr und überprüfte, ob die Tür, die hinaus auf die Feuerleiter führte, auch wirklich verschlossen war. Es war Zeit zu gehen. Goslar warf einen letzten Blick ins Labor, wo auf einem der Tische der Kadaver einer gut eineinhalb Meter langen Schildkröte lag. Goslar hatte das Tier mit einer Injektion getötet, vorsichtig den Panzer geöffnet und die Innereien bloßgelegt, aus denen die wichtigste Zutat für die tödliche Flüssigkeit gewonnen wurde.
Goslar wusste, dass es noch lange dauern würde, bis der dritte Kanister voll war, und verließ das Labor über eine steinerne Wendeltreppe, die hinunter in das nächste Stockwerk führte. Dort befand sich ein gemütlich eingerichteter Raum mit einem Badezimmer, wo er sich wusch und anschließend warme Kleidung anlegte.
Über eine weitere Wendeltreppe gelangte Goslar in eine Garage, die einen mit Winterreifen ausgestatteten Wagen beherbergte. Die Straße, die in die Stadt führte, war oft verschneit oder vom Eis spiegelglatt. Obwohl Dr. Goslar das Schloss verließ, blieben alle Lichter eingeschaltet, damit die Menschen in dem entfernten Dorf glaubten, es sei jemand zu Hause.
Das Mondlicht glitzerte auf dem tief verschneiten Berg oberhalb des Schlosses, wo mehrere hundert Meter unter dem Gipfel eine große Felskanzel aus der Wand ragte. Vor dem Eingang der darunter liegenden Höhle lag so gut wie überhaupt kein Schnee.
22
Das Motorrad, dessen Fahrer hinter dem heruntergeklappten Visier seines Sturzhelms nicht zu erkennen war, raste mit hoher Geschwindigkeit die Autoroute entlang. Es überholte den Wagen mit Bäte und Leek, jagte am Auto des Affen vorbei und wurde erst langsamer, als der nächste Wagen vor ihm auftauchte. Tweed, der auf der linken Seite saß, sah, wie das Motorrad neben ihm herfuhr und öffnete sein Fenster. Paula ergriff ihre Browning und zielte damit auf den Motorradfahrer.
»Nicht schießen«, sagte Tweed. »Nur wenn er uns angreift.«
Der Fahrer trug an der rechten Hand keinen Handschuh. Er deutete mit dem Daumen nach hinten und hob dann drei Finger, bevor er am Gasgriff drehte und nach vorn davonpreschte. Paula runzelte die Stirn, während Tweed das Fenster wieder hochkurbelte. Die eisige Nachtluft hatte es im Inneren des Wagens ganz kalt werden lassen.
»Hat er uns den schlimmen Finger gezeigt, oder was?«, fragte Paula.
»Oder war es am Ende eine Sie?«
»Sie hatten Recht«, sagte Tweed an Newman gewandt. »Wir werden von drei Wagen verfolgt.«
»Woher wissen Sie das so genau?«, fragte Newman.
»Vertrauen Sie mir.«
Vor ihnen raste der Motorradfahrer an Nields Auto vorbei und näherte sich schließlich dem ersten Wagen des kleinen Konvois. Butler sah ihn im Rückspiegel und kletterte gelenkig auf den Rücksitz. Dort nahm er eine Maschinenpistole vom Boden des Wagens,
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