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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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klarmachen, dass die Forderungen der Slow-Food-Lobby darauf hinauslaufen, dass die Menschen sich wieder so ernähren müssen wie vor Hunderten von Jahren, als unsere geliebte Vanille ein Gewürz für die oberen Zehntausend war. Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf einen Aspekt zurückkommen, der …«
    Hatte Wyss ihn erkannt? Oder waren das nur seine Nerven? Kieffer beschloss, dass es höchste Zeit war, den Saal zu verlassen. Er ging raschen Schrittes hinaus, die Hand über der eckigen Ausbeulung an seiner Hüfte. Als er an der Tür angekommen war, fiel ihm auf, dass er über Wyss’ Rede seine andere Aufgabe völlig vergessen hatte. Er blickte sich im Gang um. Wenn der Schweizer bereits kurz vor dem Ende seiner Ansprache war, wo waren dann die Kellner? Die Vorhut hätte bereits hier versammelt sein müssen mit den ersten Tabletts voller Steaks und Hummer. Er suchte in seiner Tasche nach dem kleinen Walkie-Talkie, das Esteban ihm gegeben hatte. »Leo, hier Xavier, wir brauchen den Hauptgang.«
    »Jetzt schon? Hambichler sollte das Startzeichen geben.«
    »Hat er aber nicht. Hier oben ist niemand, und die Rede ist gleich zu Ende.«
    »Hijo de puta …«, schrie Esteban, dann brach die Verbindung ab. Auf dem Monitor, der neben dem Eingang zum Saal angebracht war, konnte Kieffer sehen, dass Wyss noch immer sprach. Er ging zur Rolltreppe und hastete nach unten. In der Kombüse herrschte Hochbetrieb. Esteban stand im hinteren Teil des Raums und bellte Kommandos. Er winkte Kieffer zu sich heran. »Wir sind in Rücklage, und zwar mächtig. Und das, noch bevor wir das erste beschissene Steak rausgehauen haben.«
    »Wo ist denn Hambichler?«
    »Keine Ahnung. Verschwunden. Such ihn. Aber nicht länger als zehn Minuten. Wenn wir den maricón bis dahin nicht finden, müssen wir es ohne ihn durchziehen.«
    Kieffer rannte durch die Kombüsen und die Gänge des Unterdecks, fand den Bayern aber nicht. Wo konnte er abgeblieben sein? Hambichler hatte vorhin eine Schiffsmesse erwähnt. Kieffer erkundigte sich bei einem Matrosen, den er auf dem Gang traf, und fand sie nach kurzer Zeit. In der Messe saßen drei Männer und rauchten, vor ihnen stand ein großer Teekessel und eine kleine Flasche Rum. »Guten Abend, ich suche einen unserer Köche. Haben Sie einen fülligen Mann gesehen, Ende fünfzig?«
    Einer der Matrosen nickte. »Der war eben hier. Sah nicht gut aus. Ein bisschen, als ob er seekrank wäre.« Der Matrose grinste. »Seekrank, auf dem Léman, hat man so was schon gehört.« Kieffer vermutete, dass es nicht der moderate Seegang war, der Hambichler zu schaffen machte. Es war wahrscheinlicher, dass ihm ein schlecht verträglicher Cocktail aus Paracetamol, Schnaps und Koks zu schaffen machte. »Wissen Sie, wo er hin ist?«
    »Wir haben ihm geraten, an die frische Luft zu gehen. Er hat sich von uns den schnellsten Weg an Deck beschreiben lassen, dann ist er weg, vor vielleicht fünf Minuten.« Kieffer nickte den Männern zu und eilte zur nächsten Treppe. Oben angekommen stieß er die schwere Außentür auf. Der Nebel war inzwischen noch dichter geworden. Kieffer befand sich auf dem Promenadendeck, das um das Schiff herumführte. Die Sicht betrug bestenfalls fünf Meter, und augenblicklich kroch feuchte Kälte durch seine dünne Küchenjacke. So schnelles ging, lief er die Promenade Richtung Bug entlang. Außer ihm war kein Mensch auf Deck zu sehen.
    Auf dem Vorderschiff fand er Hambichler. Der Koch lag in einem Liegestuhl und bewegte sich nicht. Seine Augen waren geschlossen. Anderthalb Meter neben dem deckchair fiel Kieffer eine Pfütze auf, die wie Erbrochenes aussah. »Alois? Was zum Teufel machen Sie hier draußen, Sie werden sich den Tod holen.«
    Der Bayer öffnete seine Augen einen winzigen Spalt und murmelte etwas Unverständliches. In seinem Mundwinkel klebte weißlicher Brei. »Aarmséilege beniwwelte Soffkapp«, entfuhr es Kieffer. Dann griff er Hambichlers Arme und zog ihn mit Mühe hoch. Der protestierte zwar nicht, unternahm aber auch keine Anstrengungen, selbst auf den Beinen zu bleiben. Ächzend steuerte Kieffer das nächstgelegene Schott an, das sich an der Wand des Vorderdecks befand. Durch das Bullauge schien Licht. Während er den schnaufenden, bayerische Flüche grunzenden Hambichler gegen die stählerne Wand drückte, legte er mit der anderen Hand den Hebel des Schotts um.
    Die Tür war offen. Er zog seinen weggetretenen Kollegen durch die Tür ins Innere des Schiffs und ließ den schweren Mann dort

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