Teufelsherz (German Edition)
einmal von oben bis unten. Erneut musste sie feststellen, dass dieses Mädchen, das eine winzige Spur kleiner war als sie selbst, nicht den geringsten Grund zu Selbstzweifeln hatte. Ganz im Gegenteil: Sie war tausendfach hübscher als Marita und all ihre Anhängerinnen zusammen. Mal ganz abgesehen von ihrer inneren Schönheit – wobei die für die männlichen Bewohner dieses Planeten ja bekanntlich nicht so leicht zu erkennen ist. »Mach dich nicht runter, Annie«, sagte sie empört. »Du bist eine intelligente, sympathische und gut aussehende junge Frau. Wenn du etwas von Will willst, dann rede einfach mit ihm. Mehr als ›Nein‹ sagen kann er ja nicht, und dann weißt du zumindest, woran du bist. Er ist kein Arschloch und würde dich auch nicht auslachen, also trau dich, und zeig etwas Selbstbewusstsein.«
Annie starrte sie an, als wäre ihr soeben der Heilige Geist erschienen. Ob sie selbst auch so ausgesehen hatte, als sie Damian das erste Mal begegnet war? Hoffentlich nicht.
»Du … Äh … Ich muss darüber nachdenken«, sagte Annie mit einem solch verwirrten Gesichtsausdruck, dass sie bestimmt niemand mehr als Streber bezeichnen würde. »Vielleicht frage ich ihn, ob wir einmal einen Kaffee zusammen trinken gehen.«
»Tu das. Noch besser wäre es aber, wenn er auch die Aussicht auf etwas zu essen hätte.«
»Er isst seinen Muffin im Kreis.«
Emily runzelte fragend die Stirn. »Er tut was?!«
»Na, den Muffin.« Annie tat, als wären ihre Worte das Logischste der Welt. »Er isst jeden Tag seinen Muffin auf eine bestimmte Weise. Er fängt an einer Seite an und dreht ihn immer weiter, bis … na im Kreis eben. Das musst du doch wissen.«
»Ich bin meistens mit meinem eigenen Essen beschäftigt.« Jetzt war sie es, die etwas bekloppt dreinblickte. Wie kam Annie nur auf solche Sachen? Sie selbst saß ihm jeden Tag gegenüber und hatte ihn schon Tausende solcher Leckereien verschlingen sehen. Er verputzte sie meistens so schnell, dass sie ihre eigenen noch nicht einmal ausgepackt hatte. Annie musste wirklich sehr verliebt sein. Emily war sich allerdings nicht sicher, was sie davon halten sollte. Vielleicht weil bei dem Gedanken an Herzklopfen und Bauchkribbeln immer nur ein einziges Bild in ihrem Kopf erschien: Das Bild eines Traums.
Nach diesem seltsamen Gespräch ging sie auf direktem Weg in die Schulkantine, und – oh Wunder! – dort fand sie Will. Er saß abseits der anderen am Ende eines langen Tisches und beschäftigte sich mit dem Inhalt seiner Essenstüte, wo auch immer er diese plötzlich hervorgezaubert hatte. Vermutlich war er noch vor ihr an den Schließfächern gewesen.
Emily hielt an der Tür inne und sah ihn einige Augenblicke an. In ihn war Annie also verliebt. Ja, er sah gut aus, auch wenn er ihr persönlich etwas zu groß war. Das konnte für Normalsterbliche unter einem Meter siebzig ziemlich unpraktisch sein. Die schmale Sonnenbrille zu dem etwas zu langen blonden Haar, das ihm weich in Stirn und Nacken fiel, ließ ihn vielleicht sogar noch besser aussehen. Aber verlieben? Dazu waren etwas älter wirkende, knapp ein Meter achtzig große Typen mit verwuscheltem, grauschwarzem Haar besser geeignet. Mit dunkelgrünen Augen, die so undurchdringbar und geheimnisvoll wie der eisige Mondsee waren.
Emily richtete sich etwas auf und schob ihre Schultern zurück. Das dümmliche Grinsen, das sich auf ihr Gesicht geschlichen hatte, wieder unter Kontrolle, stapfte sie auf Will zu – für sie ein unverfänglicheres Exemplar der Männerwelt.
»Hallo, Fremder.« Sie ließ sich ihm gegenüber auf einen der Plastikstühle fallen und versuchte eine beleidigte Miene aufzusetzen. »Ich dachte schon, du wärst von Aliens entführt worden. Schön, dass du noch auf der Erde weilst.«
»Aliens sind gar nicht so weit hergeholt.« Will holte einen Muffin aus der Tüte und zeigte damit in Richtung Tür. »Ich hatte ein Gespräch mit dem Direktor und der reizenden Mrs Seravin.«
»Ach.«
»Du sagst es. Sie war nicht wirklich begeistert von der neuen Bewilligung, die mir das Tragen der Brille erlaubt. Sie verlangte sogar ein ärztliches Attest. Kaum zu glauben, was?«
»Hm.« Emily hörte seine Worte kaum. Er redete und redete, erzählte jedes Detail von der Auseinandersetzung zwischen der Schnepfe und dem Direktor. Doch Emilys Blick hing an seinem Mund. In der rechten Hand hielt er den Muffin, in den er gerade an einer Seite hineinbiss. Der nächste Biss folgte knapp neben dem ersten, der darauffolgende
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