Teufelsherz (German Edition)
über belanglose Dinge. Er erzählte ihr vergnügt von seiner Welt und deren Bewohnern, bemängelte in seiner typischen undiplomatischen Art ihre fehlende Vorsicht und wich mit verschlossener Miene aus, wenn sie ihn nach seiner Familie fragte. Seine schnell wechselnden Launen waren anstrengend, aber da sie inzwischen wusste, dass mehr dahintersteckte als nur ein nervtötender Charakter, konnte sie besser damit umgehen. Sie ließ sich nicht mehr so schnell auf die nicht enden wollenden Wortgefechte ein, auch wenn diese zwischendurch ganz lustig waren.
Genauso konnten sie sich ewig über Sterbliche ihrer Umgebung auslassen, deren Verhalten Damian schließlich selbst miterleben konnte. Er zog mit ihr über Lehrer und Schüler her und verglich sie mit Wesen, die in seiner Welt existierten oder existiert hatten. Götter und Sagengestalten, die für sie stets nur Mythos gewesen waren. Durch Damian hatte sich das alles geändert.
»Deinen Wunsch, vor ein Auto zu laufen, kann ich mittlerweile ziemlich gut nachvollziehen«, bemerkte er nach dem Wochenende, während er sie wieder einmal auf der Schaukel anschubste. »Was hat der Montag nur an sich, dass die Menschen sich noch schlimmer benehmen als sonst?«
»Hast du mich nicht letztens erst gefragt, was mit dem Freitag los ist, weil die Leute da alle durchdrehen? Und über das Wochenende hast du dich auch beschwert.«
»Was ja auch gerechtfertigt war. Mir scheint, ihr habt für jeden Wochentag eine eigene Art des Wahnsinns reserviert.«
Emily drehte sich zu ihm um. »Und aus Solidarität zu uns verrückten Sterblichen fühlst du jetzt auch den Montagsfrust?«
»Sieh nach vorne, sonst fällst du noch runter.« Er schubste sie wieder an. »Wie hältst du es nur aus, all die Menschen ständig um dich zu haben?«
»Liegt vermutlich daran, dass ich selbst einer bin.«
»Nein.«
»Nein, ich bin kein Mensch?« Sie hopste von der Schaukel, stieg auf das Brett und schaukelte stehend und ihm zugewandt weiter. Mittlerweile hatte sie sich schon fast daran gewöhnt, ihm ständig im Pyjama gegenüberzustehen. Anfangs hatte sie sich zum Schlafen noch etwas anderes anziehen wollen, aber das war ihr dann doch albern vorgekommen. Schließlich konnte er sie sowieso immer und überall sehen, egal mit welcher Kleidung oder in welchem Zustand. Wozu sich also zum Narren machen und geschminkt, mit hübscher Frisur und anständiger Kleidung ins Bett gehen? Es widersprach zwar ihrer weiblichen Natur, sich ihm mit offenen Haaren, ungeschminkt und in einem kuscheligen Flanell-Zweiteiler zu präsentieren, aber das auf einmal zu ändern würde vermutlich falsche Signale senden. Solange sie den Bärchen-Pyjama mit dem Loch im Schritt weiter im Kleiderschrank versteckt hielt, war es ja nicht so schlimm.
»Kein gewöhnlicher Mensch«, antwortete Damian ihr schließlich nach einer ausführlichen Musterung. Das tat er häufiger – und zwar völlig unverhohlen –, was ihr Herz jedes Mal nur schwer verkraften konnte.
»War das ein Kompliment?«, fragte sie, um die Verlegenheit zu überspielen.
»Du kannst es auch als Beleidigung auffassen.«
»Na, vielen Dank auch.« Sie lehnte sich etwas zurück und schaukelte immer höher. Die Schnur, an der das Brett hing, knarzte bedenklich, aber sie kümmerte sich nicht darum. Was sollte ihr hier schon passieren? »Willst du mich jetzt genauso wie Mrs Jenkins mit ›Phaia‹, dieser mystischen Wildsau, vergleichen?«, fragte sie lachend. »Das würde ich mir an deiner Stelle gut überlegen.«
»Keine Sorge. Du bist eher …« Damian legte eine Hand ans Kinn und ließ wieder einmal seinen Blick über sie wandern.
Oh, wieso konnte sie nicht wenigstens Jeans und T-Shirt tragen? »Ich bin eher was ?«, fragte sie und hielt mit dem Schaukeln inne, auch wenn sie nicht sicher war, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte. Er kannte einfach zu viele Ungeheuer und Monster. Vampire! Natürlich. Von denen hatte er erzählt. »Ein Vampir, nicht wahr?«, schlug sie erleichtert vor. Damit konnte sie leben. »Da würde dir die gesamte Schule zustimmen.«
Damian lachte. »Nein. Du hast nichts von einem Vampir«, stellte er fest, ohne durchblicken zu lassen, ob das gut oder schlecht war. Doch bevor sie sich darüber weitere Gedanken machen konnte, streckte er ihr plötzlich seine Hand hin. »Komm da runter. Das macht mich nervös.«
Emily sah verwirrt zwischen seinen grünen Augen und der dargebotenen Hand hin und her, ehe sie diese ergriff und von der Schaukel sprang.
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