Teufelstod: Band 2 (German Edition)
soll’s, dachte Emily, denn sie wusste, dass Will sowieso wichtiger für die Proben war, da er eine viel größere Rolle hatte. Im Moment fühlte Emily sich nicht mehr dazu in der Lage, einen Vampir zu spielen, zwischen Göttern und Teufeln herumzuhüpfen und zu predigen, dass das Gute am Ende stets obsiegte. Was für ein Schwachsinn! Damian war vermutlich längst verloren. Sie hatten ihre Seelen umsonst geopfert, denn ihre Berührung hatte nichts genutzt. Das Böse hatte ihn verschlungen, so wie es alle immerzu prophezeit hatten. Was sollte eine Berührung von ein paar dummen Menschen auch schon ausrichten? Gar nichts. Rein gar nichts. Damian war weg, er war der neue Teufel, und wahrscheinlich hatte er sie bereits vergessen.
Heiß flossen die Tränen über ihre Wangen hinab, aber Emily machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen. Sie wollte nicht daran denken, wie glücklich sie gewesen war, wollte nicht an die Nähe denken, die sie mit Damian genau hier, in diesem Bett, erfahren hatte. Alles war wie verzaubert gewesen und trotzdem so real. Sie wusste noch genau, wie er ihr diese eklige Obsttorte gebracht hatte oder den Tee im Krankenhaus. Auch hatte er sich dort um Annie gekümmert – das war doch der Beweis, dass in ihm Gutes steckte. Er hatte sich solche Mühe gegeben, und sie hatte ihm nie richtig gesagt, wie viel er ihr bedeutete. Und jetzt war alles zu spät.
Ein Schluchzen drang aus ihrer Kehle, das sie jedoch ohnehin nicht hören konnte. Wieso konnte sie nicht mehr aufhören zu weinen? Die letzten Wochen und Monate war es ihr doch auch gelungen, den Tränenkanal abzuschalten. Wieso nicht jetzt, wieso mussten all diese Bilder und Gedanken sie ausgerechnet jetzt heimsuchen und ihr das Herz zerreißen? Es bestand doch noch Hoffnung. Irgendwann … Er würde zu ihr kommen, er würde …
Eine Berührung an ihrem Oberarm ließ sie hochfahren. Keuchend setzte sie sich im Bett auf, die Kopfhörer fielen aus ihren Ohren. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in das besorgte Gesicht ihrer Mutter, die einen Teller mit belegten Broten in der Hand hielt.
Schnell wischte Emily die Tränen aus ihrem Gesicht, wobei das vergeudete Liebesmüh war. Ihre Mutter hatte längst alles gesehen. Sie sah immer alles. So wusste sie auch genau, dass Emily mit Damian geschlafen hatte. Da war sich Emily sicher, auch wenn ihre Mutter nie etwas dergleichen erwähnt hatte. Der Termin beim Frauenarzt, den sie für Emily gemacht hatte, damit man ihr die Pille verschrieb, war aber ein subtiler Hinweis gewesen. Konnte Damian überhaupt Kinder zeugen, nun, da er … Natürlich konnte er, der Teufel konnte Kinder zeugen, Damian und seine furchtbaren Geschwister waren ja der lebendige Beweis dafür. Gütiger Gott, was dachte sie da für Unsinn? Sie dachte über Kinder mit Damian nach, obwohl sie ihn wohl nie wiedersehen würde – und wenn, kam er vermutlich nur, um sie zu quälen oder ihr irgendetwas Schlimmes anzutun, da die Hölle ihn vergiftet hatte.
»Emily!« Ihre Mutter schien ihren Namen nicht zum ersten Mal zu rufen. Emily musste sich zusammenreißen, wenn sie nicht wollte, dass sich ihre Mutter noch mehr Sorgen machte.
»Nur ein trauriger Song«, versuchte sie sie zu beruhigen, doch das laute Scheppern und Dröhnen, das dumpf aus den Kopfhörer rauschte, klang ganz und gar nicht nach einer traurigen Ballade.
Ihre Mutter stellte den Teller auf dem Nachttisch ab und setzte sich neben ihr auf die Bettkante. Emily ließ sich zurück in die Kissen sinken und legte den Unterarm über die Augen. Jetzt kam ein Vortrag. Sie spürte es in den Zehen.
»Liebeskummer ist kein Grund, die Schule zu schwänzen«, begann ihre Mutter auch schon, worauf Emily nur ein »Ich weiß« murmelte. Das sollte lieber Annie mal jemand sagen.
»Liebeskummer ist auch kein Grund, nichts mehr zu essen«, ging es weiter, und obwohl Emily nichts sah, wusste sie, dass ihre Mutter auf die Brote wies.
»Ich hab keinen Liebeskummer«, erwiderte Emily diesmal, nahm den Arm aber nicht herunter.
Kurz herrschte Schweigen, ehe ihre Mutter fortfuhr: »Er kommt nicht zurück, nicht wahr?«
Emily atmete tief durch. Nach Damians Verschwinden hatte sie ihren Eltern erzählt, er hätte zurück zur Uni gemusst, würde aber bald wiederkommen. Schließlich hatte sie selbst daran geglaubt. Doch mit jedem verstreichenden Tag zeigte sich die Lüge in ihren Worten von Neuem.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte sie nach einer Pause. Diese Worte waren ein Eingeständnis, für
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