Teufelstod: Band 2 (German Edition)
und es wird Vollmond geben.«
»Na und?« Emily lehnte sich neben der Staffelei gegen die Wand und erwiderte Maritas missbilligenden Blick ohne jegliche Emotion. Im Moment war ihr sogar egal, dass die Schulbarbie in ihr Zimmer eingebrochen war und dadurch ihr Allerheiligstes entweihte. Ihr war alles egal.
»Sieh dich an«, herrschte Marita sie an und zupfte an Emilys schlabbrigen Pullover, der viel zu weit auf nicht weniger schlabbrige Hosen hinabfiel. In Maritas Augen sah sie vermutlich aus wie eine Vogelscheuche, denn das Mädchen marschierte in seiner üblich unhöflichen Art zum Kleiderschrank, riss ihn auf und zog ein schwarzes Shirt nach dem anderen heraus und warf es auf den Boden.
»Hast du nichts Buntes?«, fragte sie fassungslos. »Irgendwas Fröhliches, Frühlingshaftes?«
Emily griff an ihr vorbei und hielt ein silberfarbenes Top hoch, was Marita jedoch nur mit einem Stirnrunzeln quittierte.
»Was willst du überhaupt hier?«, fragte Emily schließlich, denn sie wollte früh zu Bett gehen und wartete schon sehnsüchtig darauf, dass es endlich dunkel wurde und sie sich zwischen ihren Decken verstecken konnte.
Marita blickte sie voller Ungeduld an. »Na rausgehen natürlich!« Sie nahm eine von Emilys schwarzen Haarsträhnen zwischen die Finger und ließ sie wieder fallen. »Sieh dich an, du bist weiß wie ein Schneemann und dünn wie ein Skelett. Kein Wunder, dass er nicht zurückkommt, bei dem, was ihn hier erwartet.«
Jetzt reichte es aber! Emily öffnete den Mund, doch Marita ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen: »Es wird Zeit, dass wir hier für ein bisschen Frühling sorgen. Du bist ja angezogen, als wäre draußen noch tiefster Winter.«
»Es ist Abend, es ist kalt.«
»Ist es nicht.« Marita griff wahllos nach einem Top und drückte es Emily in die Hand. »Los, anziehen, wir gehen spazieren, und ich erzähl dir dabei, was ich heute in der Bibliothek über das Ritual der …«
»Nein!« Emily konnte nur schwer einen Aufschrei unterdrücken, aber ihre Stimme klang eindeutig unfreundlich. »Das bringt doch alles nichts«, fuhr sie Marita an und wurde von Wort zu Wort lauter. »Wir haben jedes erdenkliche Ritual durchgeführt, wir haben uns in die Finger geschnitten, Haare verbrannt – was bei Gott furchtbar stank –, wir haben Kruzifixe verbrannt, Weihwasser versprüht … Es reicht. Ich will … Ich kann nicht mehr. Ich will einfach nur etwas Zeit für mich, ist das so schwer zu verstehen? Und dann mein Leben weiterleben. Lass mir etwas Zeit, Miss Perfect, okay? Irgendwann geh ich auch wieder raus und hüpfe von mir aus in einem …«, sie wies auf Maritas frühlingshafte Erscheinung, »… rosa Top mit kurzem Röckchen umher, aber jetzt will ich davon nichts wissen! Verstehst du das? Ich. Will. Nicht!«
Marita sah sie wortlos an und hob eine Augenbraue.
Eine halbe Stunde später strahlten die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages auf Emilys Haupt und wärmten ihre Wangen und die nackten Oberarme. Nein, sie trug keinen Rock und auch kein rosa Shirt, sondern Jeans und Top, aber ihr Haar war offen – Marita hatte sie dazu gezwungen –, und ihre Füße steckten in Turnschuhen anstatt in Pantoffeln. Es war ungewohnt, keinen Pferdeschwanz zu tragen, doch schon bald empfand sie den warmen Windhauch an ihrem Hals und das Streicheln an ihren Wangen als angenehm, beinahe befreiend. Das abendliche Licht wirkte unglaublich sanft, fast so, als wäre die ganze Welt verzaubert. Emily spürte den Anflug eines schlechten Gewissens, da sie sich bisher vor dieser Schönheit verschlossen hatte. Am Wegesrand blühten längst Blumen, und ein paar Bäume in den Vorgärten der Häuser präsentierten ebenfalls ihre bunte Fracht. Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein.
»Also« Maritas Stimme holte sie aus ihrer Verzückung, als sie gerade den Weg zum Wald einschlugen. »Ich habe die Texte der Bibel mit dem Buch aus der Bibliothek verglichen und dabei …«
»Müssen wir jetzt darüber sprechen?« Emily seufzte. »Ich will im Moment nicht daran denken.«
Marita gab ein Schnauben von sich. »Was denkst du eigentlich, weshalb ich hier mit dir herumspaziere? Denkst du etwa, ich empfinde deine Gegenwart oder meinen gesellschaftlichen Abstieg als erfrischende Abwechslung?« Sie hielt Emily an der Schulter fest und zwang sie stehen zu bleiben. »Du«, erklärte sie schließlich und blickte ihr direkt in die Augen, »bist der Schlüssel zur Rettung meiner Seele, und solange du deinem Liebsten nicht
Weitere Kostenlose Bücher