Teufelstod: Band 2 (German Edition)
Kirchenanlage raschelte, die Blätter wisperten im Wind … Doch all das spürte Emily nicht. Da war kein Frühlingsgefühl, kein Kribbeln im Bauch. Da war nur Kälte.
Fröstelnd schlang sie die Arme um sich und blickte Will entgegen, der um den Wagen herum auf sie zukam. Sie zwang sich zu einem Lächeln, ebenso wie er. »Also los!« Will streckte ihr die Hand hin, und Emily wollte sie ergreifen, als auf einmal ein Windstoß durch ihr Haar fuhr. Es war keine besonders kräftige Böe, eher eine angenehm warme Brise, aber sie ließ Emily erschauern. Irgendetwas war da gewesen, ein Gefühl, ein Prickeln. Doch es verschwand genauso schnell, wie es gekommen war.
»Emily?«
Kopfschüttelnd blickte sie hoch in Wills Gesicht. Dann ergriff sie seine Hand und ließ sich von ihm durch die gepflegte Gartenanlage führen. Gleich hinter der Kirche stand das Pfarrhaus, aber bis dahin mussten sie gar nicht gehen. Emily erkannte den Pastor sofort, der draußen mit einem jungen Mann zusammenstand. Ob dieser Mann wohl auch ein gefallener Engel war?
Die beiden drehten sich zu ihnen um, als hätten sie ihre Anwesenheit gespürt. Unheimlich. Das waren bestimmt keine normalen Menschen. Emily hatte es gründlich satt, der Spielball von irgendwelchen übernatürlichen Wesen zu sein. Ihr reichte es. Dieser Michael würde ihr jetzt Antworten geben, er würde ihr Rechenschaft ablegen für alles, was er verschuldet hatte. Es war seine Schuld, dass Damian tot war. Ganz allein seine Schuld. Mehrere Male hatte sie schon versucht, ihn anzurufen, aber er hatte sich immer verleugnen lassen. Anfangs hatte sie noch gedacht, Damian würde nur etwas Zeit brauchen und von allein zu ihr zurückkommen. Daher hatte sie sich zunächst lieber auf Jophiel konzentriert, weil sie in ihm noch am ehesten einen Verbündeten gesehen hatte. Wills Auswahl zum Schutzengel nahm sie ihm allerdings immer noch übel – obwohl er streng genommen gar nichts dafür konnte. Bisher hatte sie jedenfalls darauf vertraut, Jophiel wäre der Schlüssel zu Damian, schließlich waren Damian und er verwandt, doch jetzt musste sie hier ihr Glück versuchen. Sie würde Michael ausquetschen wie eine Zitrone, sie würde …
Will drückte ihre Hand und zwar so stark, dass ihre Finger knackten. Erst jetzt bemerkte Emily, dass sie in kurzen, abgehackten Zügen atmete und auch, dass Michael sich von seinem Gesprächspartner verabschiedet hatte und auf sie zukam.
Entschlossen trat sie einen Schritt vor, um ihm entgegenzugehen, ihn anzuschreien, all ihre Wut über diese langen Monate an ihm auszulassen, doch Wills Umklammerung ließ das nicht zu.
»Beruhig dich«, flüsterte er ihr zu. »Wenn du jetzt ausflippst, bringt das niemandem etwas.«
Emily wollte erwidern, dass sie genau das brauchte: ausflippen. Sie hatte dieses Leben in einer Wasserblase satt. Sie musste endlich weiterkommen – oder zusammenbrechen. Sie konnte nicht mehr. Der mitfühlende Ausdruck in Michaels Gesicht trug auch nicht unbedingt zu freundschaftlichen Gefühlen bei. Sie hasste diesen Mensch, diesen … gefallenen Engel. Geschniegelt und gestriegelt trat er auf sie zu, im grauen Anzug, die Haare glatt zurückgekämmt, der Bart kurz und gepflegt. Oh, wie sie ihn hasste!
»Emily!« Er besaß tatsächlich die Frechheit, überrascht zu klingen. »Will. Was führt euch hierher?« Er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr und zog die Augenbrauen hoch. »Müsstet ihr nicht …«
»Ja, müssten wir.« Emily ballte die freie Hand zur Faust, straffte ihre Glieder, im Versuch etwas größer zu wirken – neben Will eine vergeudete Mühe –, und blickte dem Pastor direkt in die grauen Augen. »Wie auch immer«, sagte sie mit solch kalter Stimme, dass sie sich selbst kaum wiedererkannte. »Ich will wissen, was mit Damian ist, wie es ihm geht, wieso er sich nicht meldet, wie ich ihn erreichen kann, was nach der Transformation passiert ist, wieso Sie ihn umgebracht haben!« Das Eis hatte sich in Feuer verwandelt, ihre Stimme war beim Sprechen immer lauter geworden.
Michael presste die Lippen zusammen und verzog den Mund. Dann sah er sich wachsam im Garten um, während Will Emily noch etwas näher zu sich zog, als könnte er die lodernden Flammen in ihrem Inneren mit seiner massigen Gestalt einfach ersticken.
Drüben bei der Steinbank saß eine alte Dame, ein junger Gärtner setzte Blumen und auf der Straße schlenderten Passanten vorbei. Anscheinend waren das zu viele potenzielle Zuhörer, denn Michael streckte die
Weitere Kostenlose Bücher