Teufelswasser
Pflanzen in den Händen, die sie einsetzen wollten. Verstreut um sie herum lagen Gartengeräte.
Kommissar Glaser zeigte vorschriftsgemäß seinen Dienstausweis und kam gleich auf den Mittwochabend und den Freitagnachmittag zu sprechen, indem er jeweils genau Datum und Uhrzeit nannte. «Haben Sie Dr. Walther zu diesen Zeiten gesehen?»
Die Damen Stettner plauderten sofort munter drauflos, nämlich dass der «Herr Doktor» oft an seinen freien Nachmittagen am Schreibtisch sitze, wo er von hier aus gut zu erkennen sei, sofern er die Vorhänge aufgezogen habe. Da erledige er seine vielen Schreibarbeiten.
«Und die werden immer mehr, klagt er oft.» Sieglinde Stettner wirkte richtig besorgt.
Dann riefen sie sich die betreffenden Tage in die Erinnerung zurück. «Wir waren jedenfalls den ganzen Freitagnachmittag bis Sonnenuntergang im Garten.» Und während dieser Zeit sei der «Herr Doktor» ganz bestimmt am Schreibtisch gewesen.
«Können Sie das bestätigen?», fragte Glaser zusätzlich die Tochter. Er konnte vom Nachbargarten aus nämlich nicht erkennen, ob der Arzt an seinem Schreibtisch saß. Vielleicht hatte Walther ja bereits das Haus verlassen, ohne sich bei ihnen abzumelden.
Miriam Stettner nickte. «Ich hab ihm noch einen Teller vor die Haustür gestellt, mit ein paar Kuchenstücken drauf in Frischhaltefolie.»
«Warum vor die Haustür?»
«Ich wollte ihm eine Freude machen, aber er hat wieder mal nicht geöffnet. Ich hab auch nur einmal geklingelt; ich weiß schon, dass er manchmal mit einem kleinen Kopfhörer Musik hört, weil er nicht gestört werden will.»
«Am Samstag hat er den leeren Teller zurückgebracht und sich bedankt», ergänzte Sieglinde Stettner.
«Und an besagtem Mittwoch in der Nacht, also am 11. des Monats?»
An diese Nacht konnten sich die beiden nicht so recht erinnern.
«Es könnte sein, dass in seinem Wohnzimmer Licht war», grübelte die Mutter; «er lebt ja so gut wie allein. Hat zwar eine Freundin, aber die kommt fast nie hierher.» Sieglinde Stettner schien das zu bedauern.
Oberkommissarin Juliane Vogt hatte nichts mitgeschrieben.
***
Ihre Rückfahrt aus Frankfurt unterbrachen Lürmann und Laubmann im Steigerwald, um ein kräftigendes Mahl einzunehmen. Für seinen Bärenhunger hatte Laubmann einen fränkischen Landgasthof ausgesucht. Er lag in dem Dorf Weingartsgraben, gegenüber einem zur Barockzeit neu gestalteten Schloss mit Karpfenteich. Hier gab es für Lürmann ein sorgfältig zubereitetes Wildbret und für Laub mann eine frische Schlachtschüssel, die vor Ostern als «Fastenbrecher» gegolten hätte. Doch sie hatten nun mal diese anstrengenden Befragungen abzuleisten – und das trotz Laubmanns ebenso anstrengender Kur.
Solcherart gestärkt fuhren sie weiter ins 20 Kilometer entfernte Oberbirnenbach, zur Befragung der Mineralwasserproduzentin Elli Hartlieb. Die Straße wand sich durch einen Hochwald, vorbei an mächtigen Laubbäumen, die wie graue Säulen Spalier standen. «Der hiesige Laubwald ist unter Forstspezialisten berühmt, weil er aus zahlreichen hochgewachsenen und wertvollen Buchen besteht, die bis zu dreihundert Jahre alt sind», erläuterte Laubmann. «Die Waldabteilung trägt den Namen ‹Kleinengelein›.»
«Wohl weil sie dem ‹großen› Engel aus Frankfurt nicht gehört.» Lürmann erlaubte sich einen Wortwitz, und das in Gegenwart Dr. Laubmanns.
Der Ort Oberbirnenbach hatte nur wenige Häuser aufzuweisen und lag inmitten einer Rodungsinsel, das heißt einer Lichtung, die von Wald umgeben ist. Die Fabrikations- und Lagergebäude der Wasserfirma dominierten den Ort völlig und passten so überhaupt nicht zur Vorstellung von einem Waldidyll. Die Glasfront des runden flaschenartigen Büroturms blendete die Heranfahrenden mit gleißendem Sonnenlicht. Lürmann parkte neben einem feuerwehrroten Sportwagen mit geschlossenem schwarzen Verdeck, der wohl – das Schild Firmenleitung wies darauf hin – der Mineralwasserproduzentin gehörte.
‹Wie passt die stämmige Person da hinein?›, überlegte Laubmann. Er hatte ihre Erscheinung noch von der Gala her im Gedächtnis.
Aus einer der Hallen drangen die Maschinengeräusche einer Abfüllanlage. Automatisch weiterbeförderte Flaschen stießen aneinander, wurden gewaschen, wiederbefüllt und verschlossen. Der Fahrer eines Gabelstaplers lud palettenweise Wasserkästen auf einen firmeneigenen Lkw.
Die Chefin des Betriebs residierte im Büroturm. Nach der Vorlage von Lürmanns Dienstausweis wurden sie
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