Teufelswasser
zu ihr geleitet. Elli Hartlieb, die Frau mit den kurzen naturroten Haaren, dem kräftigen Gesicht sowie dem Piercing am linken Ohr kam ihnen entgegen und begrüßte sie mit starkem Händedruck. Sie trug erneut eine blaue Jeans und überragte mit ihren 1,79 den Theologen Laubmann. Er fühlte sich ihr aber gewachsen.
«Nur keine Hemmungen, kommen Sie rein!» Ihre derbe Stimme hatte einen befehlenden Tonfall. Die Wände ihres Büros waren mit gerahmten Werbeplakaten der Firma aus den vergangenen Jahrzehnten geschmückt.
An Philipp Laubmann konnte sich Elli Hartlieb erinnern, an Kommissar Lürmann nicht.
«Ich war nicht bei der Gala», entschuldigte sich Lürmann.
Mit ihren fleischigen Fingern wies sie auf die Stühle, die um einen Konferenztisch standen und kredenzte ihren Gästen dort höchstpersönlich Mineralwasser der von ihr hergestellten Marke Waldsprudel . Das Markenlogo – ein durch drei blaue Wellenlinien angedeuteter Fluss und ein durch drei grüne schematisierte Nadelbäume angedeuteter Wald – prangte ja riesig über dem Büroturm.
Und auch Elli Hartlieb sprudelte förmlich, als sie berichtete, wie phantastisch das Quellwasser im Bamberger Bruderwald sei und wie gern sie es nutzen würde. «Als Markenbezeichnung haben wir dafür den Namen ‹Silvanus› entwickelt.» Sie steckte sich genüsslich eine Zigarette an und schnipste das Streichholz in einen silbernen Aschenbecher, der in überdimensionierter Weise dem Schraubverschluss einer Mineralwasserflasche nachgebildet war.
«Es stört Sie hoffentlich nicht, wenn ich rauche.»
Lürmann und Laubmann hatten freilich nicht den Eindruck, dass sie wirklich Rücksicht üben wollte. Sie lehnten die angebotenen Zigaretten ab.
Beim Inhalieren des Rauchs vollführte Elli Hartlieb die Grimasse einer altgewohnten Raucherin, indem sie, die Zigarette vom Mund wegnehmend, die Oberlippe leicht nach oben zog und dabei eine Reihe gelblicher Schneidezähne entblößte. «Ursprünglich wollte meine MarketingAbteilung das neue Produkt ‹Birnenwasser› taufen, wegen Oberbirnenbach . Das klingt jedoch zu sehr nach Schnaps, oder? Später kam als Vorschlag der Name ‹Bruderquelle›, wegen des Bamberger Bruderwalds – aber wo bleiben da die Frauen? Schließlich haben wir's mit den Begriffen ‹Heilige Quelle› und ‹Teufelsquelle› probiert, was uns dann zu religiös war. Wir haben's also bei ‹Silvanus› belassen. Die Bezeichnung stimmt auch mit unserer bisherigen Marke ‹Waldsprudel› besser überein.»
«Silvanus – der Waldgott der römischen Mythologie», merkte Laubmann hochgelehrt an.
«Würden wir den Namen ‹Teufelsquelle› verwenden, könnten wir allerdings den Kunden eine Teufelsfigur in Kleinformat als Bonus mitgeben, wenn sie einen ganzen Wasserkasten kaufen.»
Philipp horchte auf, denn solche putzigen Teufelchen sammelte er.
«Ich sehe, Sie haben schon einiges in Ihr ‹BruderwaldProjekt› investiert», stellte Lürmann fest. «Ist das nicht etwas verfrüht? Die Frauen des Säkularinstituts haben sich noch überhaupt nicht entschieden.»
«Wenn man ein Geschäft ernsthaft betreibt, kann man gar nicht früh genug Marketingkonzepte entwickeln.»
«Das heißt aber auch, dass sich der Erfolgsdruck erhöht.»
«… was ein Tatmotiv wäre!» ergänzte Laubmann und dachte, dass diese Frau ihrer Statur nach kräftig genug wäre, um einen Mord auszuführen. Er hatte Mühe, die Kohlensäure zu unterdrücken, denn das ausgeschenkte Mineralwasser war keineswegs «still».
Elli Hartlieb wies den Verdacht entschieden zurück «So weit würde ich nie gehen! So was mach ich einfach nicht!»
Bei den nachfolgenden Fragen Kommissar Lürmanns, der wiederum sein Notizbuch aufgeschlagen hatte, gab die Mineralwasserproduzentin an, dass sie nur Margarete Müller, nicht aber Reinhold Müller gekannt habe. – Im Institut Christen in der Welt habe sie schon einige Male vorgesprochen; das kenne sie. Ebenso kenne sie Bad Kissingen; denn sie sei dort öfter zugegen, um ihr Mineralwasser zu vermarkten. Zuletzt habe sie den Gala-Abend des Herrn Engel besucht. – Auch das Alte Kurbad sei ihr vertraut, weil sie sich vor einiger Zeit im dortigen Römisch-irischen Dampfbad habe «verschönern» lassen wollen.
Als Alibi für Mittwochnacht, der Nacht des ersten Mordes, führte sie an, dass sie bei einer Party in Bamberg gewesen sei. Daran könne sie sich gut erinnern. Sie habe die Party jedoch schon früher verlassen, so gegen zehn, weil sie ja noch nach Hause habe
Weitere Kostenlose Bücher