Teufelswasser
von ihm oder Ihnen erwartet wurde.»
«Sehr allgemein.» Friedolin Engel schüttelte bedächtig den Kopf. «Zu allgemein.»
Was den Anschlag auf Gabriela Schauberg betraf, so beschworen Engel und Schilf, die Gala vor ihrem Ende in den frühen Morgenstunden nicht verlassen zu haben.
«Ich bin Ihnen doch um Mitternacht unter den Arkaden im Innenhof begegnet, Herr Dr. Laubmann», tönte Engel, «Ihnen und Ihrem Freund, dem Herrn Prälaten.»
«Wir sind nicht befreundet», wehrte Philipp Laubmann ab. «Es sah nur so aus, weil er Angst hatte, erpresst zu werden.»
«Von wem, bitte?»
«Von zwei Herren, die ihre Namen nicht genannt haben.»
«Bei meinem Fest?» Engel tat entrüstet.
«Nicht nur Prälat Glöcklein, auch wir sähen es nicht gerne», meinte Kommissar Lürmann, «wenn er bei seinem Bischof wegen einer seelsorgerischen Erkundung in einer Spielbank anonym angeschuldigt würde.»
«Also ich kenne keinen Bischof», verneinte Engel kategorisch. «Du etwa?» Er blickte zu Schilf.
«Ich genauso wenig», sagte Schilf mit gewohnt leiser Stimme.
«Gut, ich gebe zu», verkündete Friedolin Engel, «bei der Einweihung eines Großprojekts kann schon mal ein Bischof anwesend sein. Das kommt vor. Aber ich für meine Person lege keinen Wert auf solchen Firlefanz mit Ansprachen und Segnungen. Ich baue im Zweifelsfall für Anteilseigner, nicht für Menschen.»
«Möchten Sie sich denn nicht hin und wieder selbst ein Denkmal setzen?», erkundigte sich Laubmann spitzfindig.
Engel lachte auf. «Ich gehöre nicht zu denen, die Autobahnen bauen und anschließend davon träumen, mal unter einem Autobahn-Kreuz bestattet zu werden, um es religiös auszudrücken.»
In der Tiefgarage angelangt, flüsterte Lürmann, weil er befürchtete, mittels einer Überwachungseinheit belauscht zu werden: «Irgendwie ist er ein extraordinärer Mensch, dieser Engel.»
«Oder er gibt sich extra ordinär, um seine Gesprächspartner hinters Licht zu führen», erwiderte Laubmann. «Engel ist einer, der sich nur dann selber demaskiert, wenn er sicher ist, nicht erkannt zu werden.»
***
Oberkommissarin Juliane Vogt war zum zweiten Mal offiziell nach Bamberg gekommen, um vor Ort neue Erkenntnisse zu gewinnen – über die Mordfälle und über ihre möglichen Bewerbungschancen. Sie war im Kissinger Dienstwagen mit Dietmar Glaser zusammen auf dem Weg zum Hausarzt des Säkularinstituts. Der Hauptkommissar hatte diesmal nicht seinen Stockschirm vergessen, vor allem um ihn der Kollegin anbieten zu können, falls es regnen sollte. Aber es regnete nicht, und im Wagen war der Schirm ohnehin nutzlos.
Das Haus Dr. Walthers, ein schmuckloser Bungalow, lag in einer der Bamberger-Wohngegenden, die man in den 1960er-Jahren als «Neubaugebiet» bezeichnet hatte, wobei Praxis und Wohnung nebeneinander untergebracht waren. Von seinem geräumigen Sprechzimmer aus hatte der Arzt einen Zugang zu seinem Garten.
Dr. Anselm Walther war ein Mittfünfziger, mittelgroß und eher ein wenig stämmig. Sein bräunliches Haar war an den Rändern schon grau geworden. Er war sehr beliebt in seinem Viertel, und man hatte keine Scheu, ihn auch in der Nacht zu rufen.
Da Vogt und Glaser während der Mittagspause eintrafen, waren weder Angestellte noch Patienten in der Praxis für Allgemeinmedizin. Sie hatten an der Eingangstür läuten müssen. Und weil Walther vor der nachmittäglichen Sprechstunde ein paar Hausbesuche machen wollte, hatte er es sehr eilig. Er bat die Beamten, nachdem er sich ihre Dienstausweise hatte zeigen lassen, daher gleich ins Sprechzimmer. Seines Arztkittels hatte er sich bereits entledigt und seine kleine goldfarbene Lesebrille hatte er abgenommen.
Das Zimmer war in klassischer Weise ausgestattet; mit einer Liege für Untersuchungen, einem mit Krankenakten, losen Blättern, aufgerissenen Kuverts, Stiften, Brief klammern, einem Stethoskop und einem Blutdruckmessgerät angefüllten Schreibtisch, mit einem offenstehenden Schrank, in dem zahlreiche Medikamente lagerten, sowie mit Regalen, auf denen sich medizinisch-wissenschaftliche Zeitschriften und Fachbücher befanden. Zwischen den Büchern stand ein weißer Styroporkopf mit einem Toupet darauf, welches – dem Kopfhaar des Arztes sehr ähnlich – unten aus grauen und oben aus bräunlichen Haaren gefertigt war. Der Computer war mitsamt dem Drucker auf einen fahrbaren Nebentisch gestellt worden. An einer freien Wandfläche hingen eine längliche Karte, die den Muskelaufbau des Menschen zeigte, ein
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