Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
Vom Netzwerk:
Großteil seines Lebens verbracht hatte, in guten wie in schlechten Zeiten.
    Die guten Zeiten: wie er und Merrin Williams sich darin geliebt hatten, wobei er sich den Kopf an der Decke stieß und die Knie an der Gangschaltung. Die hinteren Stoßdämpfer waren hinüber und quietschten, wenn der Wagen auf und ab schaukelte, ein Geräusch, bei dem Merrin sich auf die Lippen beißen musste, um nicht laut loszulachen, während Ig sich zwischen ihren Beinen auf und ab bewegte. Die schlechten Zeiten: jene Nacht, in der Merrin vergewaltigt
und ermordet wurde, draußen bei der alten Gießerei, während er betrunken im Wagen geschlafen und sie in seinen Träumen maßlos gehasst hatte.
    Der AMC war ein Ort gewesen, der ihn aufnahm, selbst wenn er nirgendwo anders hinkonnte, wenn es nichts anderes zu tun gab, als in der Hoffnung, dass irgendetwas passieren würde, stumpf durch Gideon zu rasen. In den Nächten, in denen Merrin arbeitete oder lernen musste, unternahm Ig mit seinem besten Freund, dem großen schlanken, auf einem Auge fast blinden Lee Tourneau Spritztouren. Oft fuhren sie runter zur Sandbank, wo am Ufer die Pick-ups parkten, Lagerfeuer brannten und ein paar Leute, die sie kannten, mit Kühltaschen voller Coronas abhingen. Dort hockten sie dann auf der Motorhaube des Wagens und schauten zu, wie sich die Flammen in dem schnell fließenden schwarzen Wasser spiegelten, während die Funken aufstoben und in der Nacht verschwanden. Sie unterhielten sich darüber, wie erbärmlich man doch verrecken konnte - ein naheliegendes Thema, wenn man am Knowles River zusammensaß. Er sagte, zu ertrinken sei am schlimmsten, und erzählte von damals. Der Fluss hatte ihn einmal verschlungen, ihn unten gehalten, war in seinen Rachen geströmt, und es war Lee Tourneau gewesen, der reingesprungen war, um ihn rauszuziehen. Lee sagte, es gebe Schlimmeres, Ig habe einfach keine Phantasie. Er sagte, dass es um Längen heftiger sei zu verbrennen, aber schließlich hatte er auch einmal Bekanntschaft mit einem brennenden Wagen gemacht. Beide wussten sie, was sie wussten.
    Am besten waren die Abende, die er mit Lee und Merrin gemeinsam im Gremlin verbrachte. Dann faltete sich Lee - zuvorkommend, wie er war - quer auf dem Rücksitz zusammen und ließ Merrin vorn bei Ig sitzen. Den Handrücken
leidend auf die Stirn gepresst, sah Lee aus wie ein verzweifelter Oscar Wilde auf seinem Kanapee. Oft fuhren sie zum Paradise Drive-in und tranken Bier, während auf der Leinwand Verrückte in Hockeymasken halbnackten Teenagern hinterherjagten, die - unter dem Johlen und Hupen der Zuschauer - den Kettensägen zum Opfer fielen. Merrin nannte so was ein »Double Date« - Ig war mit ihr unterwegs und Lee mit seiner rechten Hand. Wenn alle drei gemeinsam auf die Piste gingen, hatten Ig und Merrin großen Spaß daran, Lee aufzuziehen, aber an dem Morgen, als Lees Mutter starb, war Merrin die Erste gewesen, die ihn in den Arm genommen hatte, während er sich ausheulte.
    Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte Ig, ob er Lee nicht einen Besuch abstatten sollte; Lee hatte Ig schon einmal den Arsch gerettet, vielleicht gelang es ihm jetzt wieder. Aber dann fiel Ig ein, was Glenna ihm vor einer Stunde erzählt hatte, während sie Donuts in sich hineingestopft hatte: Und da konnte ich mich einfach nicht bremsen und habe ihm einen geblasen, obwohl da ein paar Typen rumhingen und zugeschaut haben. Ig versuchte, die beiden zu hassen, aber er brachte nicht einmal mäßigen Abscheu zustande. Im Moment hatte er andere Sorgen. Sie wuchsen ihm aus dem verdammten Kopf heraus.
    Und überhaupt: Es war ja nicht so, dass Lee ihm in den Rücken gefallen wäre und ihm heimlich seine große Liebe ausgespannt hätte. Ig war nicht in Glenna verliebt, und er glaubte auch nicht, dass sie jemals in ihn verliebt gewesen war - wohingegen Lee und Glenna so manches gemeinsam durchgemacht hatten und einmal für längere Zeit ein Paar gewesen waren.
    Vielleicht gehörte es trotzdem nicht zu den Dingen, die ein Freund tun sollte, aber schließlich waren Lee und Ig keine
Freunde mehr. Nach dem Mord an Merrin hatte Lee Tourneau, ganz beiläufig und ohne jegliche Bösartigkeit, Ig aus seinem Leben verbannt. In den Tagen, nachdem Merrins Leichnam gefunden worden war, hatte er durchaus Mitgefühl gezeigt, aber andererseits auch nicht versprochen, dass er zu Ig halten würde, oder angeboten, sich mit ihm zu treffen. In den darauffolgenden Wochen und Monaten wurde Ig bewusst, dass stets er es war, der

Weitere Kostenlose Bücher