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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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entspannte, die Fäuste öffnete und gleichmäßiger atmete. Father Mould geriet auf seiner Hantelbank aus dem Rhythmus. Schwester Bennett packte die Stange und ließ sie mit lautem Scheppern in die Halterung fallen.
    Ig schaute ihr in die Augen und sagte: »Was hindert Sie daran?«
    »Woran?«, fragte sie.
    »Das Geld zu nehmen und zu verschwinden.«
    »Gott«, sagte sie. »Ich liebe ihn.«
    »Was hat er denn jemals für Sie getan?«, fragte Ig. »Macht er, dass es weniger wehtut - wenn die Leute Sie hinter Ihrem Rücken auslachen? Oder ist er nicht sogar schuld daran - immerhin sind Sie um seinetwillen allein geblieben! Wie alt sind Sie?«
    »Einundsechzig.«

    »Ganz schön alt. Es ist fast schon zu spät. Fast . Können Sie es sich erlauben, auch nur einen Tag länger zu warten?«
    Sie fasste sich mit vor Schreck geweiteten Augen an den Hals. Dann sagte sie: »Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe«, drehte sich um und rannte an ihm vorbei die Treppe hinauf.
    Father Mould schien kaum zu bemerken, dass sie fort war. Er hatte sich aufgesetzt und stützte die Hände auf die Knie.
    »Sind Sie mit dem Training fertig?«, wollte Ig wissen.
    »Noch einen Durchgang.«
    »Dann gebe ich Ihnen lieber Hilfestellung«, sagte Ig und stellte sich ans Kopfende der Bank.
    Als er Father Mould die Stange reichte, streifte er seine Finger, und da sah er Mould, als dieser zwanzig war und zusammen mit ein paar anderen Kerlen aus der Eishockeymannschaft Skimasken übergezogen hatte. Sie folgten einem Wagen voller Black Muslims, die aus New York gekommen waren, um an der Syracuse University über Bürgerrechte zu sprechen. Mould und seine Freunde drängten die Studenten von der Straße ab und jagten sie mit Baseballschlägern in den Wald. Den langsamsten von ihnen holten sie ein und zertrümmerten ihm an acht Stellen die Beine. Es dauerte zwei Jahre, bis er wieder ohne Hilfe gehen konnte.
    »Sie und Merrins Mutter - haben Sie wirklich für meinen Tod gebetet?«
    »Mehr oder weniger«, sagte Father Mould. »Ehrlich gesagt ruft sie vor allem dann Gott an, wenn sie auf meinem Schwanz reitet.«
    »Wissen Sie, warum er mich nicht niedergestreckt hat?«, fragte Ig. »Wissen Sie, warum Gott Ihre Gebete nicht erhört hat?«

    »Warum?«
    »Weil es keinen Gott gibt. Sie sprechen ins Leere.«
    Father Mould stemmte noch einmal unter großer Anstrengung die Stange hoch und ließ sie wieder sinken. »So ein Bullshit.«
    »Es ist alles eine große Lüge. Da war nie jemand. Sie sind es, der sich den Strick aus dem Schuppen holen sollte.«
    »Nein«, sagte Father Mould, »dazu kannst du mich nicht zwingen. Ich will nicht sterben. Ich liebe mein Leben.«
    Aha. Er konnte Menschen nicht dazu bringen, Dinge zu tun, die sie nicht von sich aus tun wollten. Das hatte sich Ig schon die ganze Zeit gefragt.
    Father Mould verzog das Gesicht und ächzte, aber er bekam die Stange nicht mehr hoch. Ig wandte sich von der Hantelbank ab und der Treppe zu.
    »He«, sagte Father Mould. »Könntest du mir mal helfen?«
    Ig steckte die Hände in die Tasche und fing an, »When the Saints Go Marching In« zu pfeifen. Zum ersten Mal heute Vormittag fühlte er sich wohl in seiner Haut. Hinter ihm keuchte Father Mould laut, aber Ig blickte nicht zurück, während er die Treppe hinaufging.
    Als Ig die Vorhalle betrat, eilte Schwester Bennett an ihm vorbei. Sie trug rote Hosen und eine ärmellose Bluse mit Gänseblümchenmuster und hatte sich die Haare hochgesteckt. Als sie ihn bemerkte, erschrak sie und hätte fast ihre Handtasche fallen lassen.
    »Machen Sie sich auf die Socken?«, fragte Ig.
    »Ich … ich habe kein Auto«, sagte sie. »Ich würde gern den Wagen der Kirche nehmen, aber ich habe Angst, dass sie mich erwischen.«
    »Sie plündern doch eh schon das Gemeindekonto. Da kommt es auf den Wagen auch nicht mehr an.«

    Einen Augenblick lang starrte sie ihn an. Dann beugte sie sich vor und küsste Ig auf den Mundwinkel. Als ihre Lippen sich berührten, da wusste Ig von der schrecklichen Lüge, die sie ihrer Mutter erzählt hatte, als sie neun war, und von dem furchtbaren Tag, als sie spontan einen ihrer Studenten geküsste hatte, einen hübschen Sechzehnjährigen namens Britt, und dass sie insgeheim ihren Glauben verloren hatte. Er sah all das klar vor sich - und es war ihm egal.
    »Gott segne dich«, sagte Schwester Bennett.
    Ig musste lachen.

KAPITEL 7
    Ihm blieb nichts anderes mehr übrig, als nach Hause zu gehen und seine Eltern zu besuchen. Er wendete und fuhr

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