Teufelszeug
den Notdienst an und erklärte, er sei von einer Schlange gebissen worden, und zwar draußen in der alten Gießerei an der Route 17, es habe Tote gegeben, und alles Mögliche stehe in Flammen. Dann unterbrach er die Verbindung, kletterte aus dem Kamin und ging neben Terry in die Hocke.
»Du hast«, sagte sein Bruder, »Hilfe gerufen.«
»Nein«, sagte Ig. »Du hast Hilfe gerufen. Hör mir gut zu, Terry. Ich erkläre dir jetzt genau, an was du dich erinnern wirst. Du musst eine ganze Menge vergessen. Dinge, die heute passiert sind, und Dinge, die schon vor einer Weile passiert sind.« Während er sprach, pulsierten die Hörner, und er verspürte ein geradezu animalisches Wonnegefühl. »In dieser Geschichte ist nur Platz für einen Helden - und jeder weiß, dass es nicht der Teufel ist.«
Ig erzählte seinem Bruder mit leiser, beruhigender Stimme eine Geschichte. Es war eine gute Geschichte, und während Terry zuhörte, nickte er im Rhythmus eines Songs, den er ganz besonders mochte.
Nach ein paar Minuten war Ig fertig. Er saß noch eine Weile bei Terry, ohne dass einer von ihnen etwas gesagt hätte. Ig war sich nicht sicher, ob sich Terry überhaupt noch seiner Anwesenheit bewusst war. Offenbar war er kniend eingeschlafen. Ig wartete, bis er das ferne Heulen einer Trompete hörte, die immer wieder denselben Ton spielte - einen Ton voll panischer Dringlichkeit. Die Löschfahrzeuge. Er
nahm den Kopf seines Bruders in die Hände und küsste ihn auf die Stirn. Was er dabei sah, war weit weniger wichtig als das, was er empfand.
»Du bist ein guter Mensch, Ignatius Perrish«, flüsterte Terry, ohne die Augen zu öffnen.
»Welch Blasphemie«, sagte Ig.
KAPITEL 49
Er kletterte durch die Türöffnung hinaus, hielt kurz inne, drehte sich um und griff nach der Trompete seines Bruders. Dann wandte er sich wieder dem offenen Feld zu und ließ den Blick über die Straße aus Feuer schweifen, die in einer geraden Linie zum Kirschbaum führte. Die Flammen umspielten den Stamm noch einen Moment zögerlich, aber dann schossen sie an ihm empor, als wäre auch er mit Benzin getränkt. Die Baumkrone brannte sofort lichterloh, und in seinen Ästen befand sich das magische Baumhaus. Flammenvorhänge bauschten sich in den Fenstern. Im ganzen Wald brannte nur die Kirsche, die anderen Bäume blieben vom Feuer unberührt.
Ig schritt den Pfad entlang, den das Feuer durch das Feld geschnitten hatte, ein junger Adeliger auf einem roten Teppich, der zu seinem Herrensitz führte. Er war in das Licht der Scheinwerfer von Lees Caddy getaucht, und sein gewaltiger, vier Stockwerke hoher Schatten fiel auf den wogenden Rauch. Das erste der Löschfahrzeuge rumpelte langsam die ausgefahrene Schotterstraße entlang, und der Fahrer, der Rick Terrapin hieß und seit dreißig Jahren dabei war, sah ihn, einen gehörnten schwarzen Teufel, der so groß war wie der Schlot der Gießerei. Er stieß einen Schrei aus, riss das Steuer herum und streifte am Straßenrand eine Birke.
Rick Terrapin sollte drei Wochen später in den Ruhestand gehen. Der Rauchteufel und die grauenhaften Dinge, die er in der Gießerei zu sehen bekam, hatten ihm endgültig die Lust an seinem Job genommen. Sollte der ganze Scheiß doch abbrennen, ihm war das so was von egal.
Ig stürzte sich mit der Trompete in der Hand in die gelbe Feuersbrunst und erreichte schließlich den Baum. Ohne zu zögern, machte er sich daran, die brennenden Äste hinaufzuklettern. Er glaubte, über sich Stimmen zu hören, schamlos glückliche Stimmen, und Gelächter. Eine Feier! Er hörte Pauken und Trompeten, Musik, die einem in die Beine ging. Die Falltüre war offen. Ig kletterte hindurch in sein neues Zuhause, seinen Turm aus Feuer, in dem sein Flammenthron stand. Er hatte sich nicht geirrt; hier fand eine Feier statt - eine Hochzeitsfeier, seine Hochzeitsfeier. Die Braut erwartete ihn bereits mit flammendem Haar und nackt bis auf einen lodernden Umhang. Er nahm sie in die Arme, und sie küssten sich. Gemeinsam brannten sie füreinander.
KAPITEL 50
Terry kam in der dritten Oktoberwoche wieder nach Hause, und am ersten warmen Nachmittag, an dem er noch nichts vorhatte, fuhr er zur Gießerei hinaus, um sich dort umzuschauen.
Das große Backsteingebäude erhob sich auf einem rußgeschwärzten Feld zwischen Abfallhaufen, die gebrannt hatten und jetzt nur noch Aschehügel waren, durchsetzt mit Rauchglas und verbogenem Draht. Das Gebäude selbst war mit Ruß bedeckt, und es stank überall leicht nach
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