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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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dass du den Mund aufmachen sollst? Du hast Schmerzen. Steh einfach da und heul. Überlass es mir, Bockmist zu erzählen. Da bin ich besser drin.«

KAPITEL 14
    Als Ig Lee Tourneau das nächste Mal sah, war dieser genauso nass wie zwei Tage zuvor und zitterte am ganzen Leib. Er hatte dieselbe Krawatte und dieselben Shorts an und trug das Mountainboard unter dem Arm. Fast konnte man meinen, er wäre in der Zwischenzeit nie richtig trocken geworden oder gerade erst aus dem Fluss gewatet.
    Es hatte angefangen zu schütten, und Lee hatte es voll erwischt. Seine fast weißen Haare klebten ihm am Kopf, und er schniefte. Über der Schulter trug er eine nasse Segeltuchtasche und sah damit aus wie einer der Schuljungen, die in den alten Dick Tracy -Comics als Straßenverkäufer Zeitungen an den Mann brachten.
    Ig war allein zu Hause, was eher selten vorkam. Seine Eltern waren in Boston auf einer Cocktailparty im Stadthaus von John Williams. Williams würde die Boston Pops dieses Jahr zum letzten Mal dirigieren, und Derrick Perrish trat zusammen mit dem Orchester bei der Abschiedsvorstellung auf. Also hatten Igs Eltern Terry die ganze Verantwortung übertragen. Terry hatte den größten Teil des Vormittags im Schlafanzug MTV geschaut oder mit seinen Freunden telefoniert, die sich allem Anschein nach ebenso sehr langweilten wie er. Anfangs war sein Tonfall gut gelaunt und träge gewesen, dann aufmerksam und neugierig,
bis er schließlich immer einsilbiger geworden war und seine Stimme jeden Ausdruck verloren hatte - anscheinend war ihm etwas völlig gegen den Strich gegangen. Als Ig einen kurzen Blick ins Wohnzimmer geworfen hatte, war sein Bruder unruhig auf und ab gelaufen. Schließlich hatte Terry den Hörer auf die Gabel geknallt und war die Treppe hinaufgerannt. Als er wieder herunterkam, war er angezogen, und in einer Hand hielt er die Schlüssel des Jaguars ihres Vaters. Er sagte, er gehe zu Eric. Dabei schürzte er die Lippen und wirkte wie jemand, der sich um etwas kümmern musste, was ihm zutiefst zuwider war - wie jemand, der nach Hause kam und sah, dass jemand alle Mülltonnen umgekippt und den Abfall im ganzen Vorgarten verteilt hatte.
    »Brauchst du nicht jemand mit einem Führerschein, der dich begleitet?«, fragte Ig. Terry hatte damals erst eine eingeschränkte Fahrerlaubnis.
    »Nur wenn ich kontrolliert werde«, erwiderte Terry.
    Terry ging zur Haustür hinaus, und Ig schloss sie hinter ihm. Fünf Minuten später öffnete er sie dann wieder, weil es klopfte. Ig ging davon aus, dass es Terry war, der etwas vergessen hatte, aber stattdessen stand auf einmal Lee Tourneau vor ihm.
    »Wie geht es deiner Nase?«, fragte Lee.
    Ig berührte das Heftpflaster auf dem Nasenrücken und ließ dann die Hand sinken. »Besonders hübsch sieht es nicht aus. Willst du reinkommen?«
    Lee trat durch die Tür und blieb dann mitten in der Diele stehen. Zu seinen Füßen bildete sich eine Wasserlache.
    »Sieht ganz so aus, als wärst diesmal du die Wasserleiche«, sagte Ig.
    Lee lächelte nicht. Fast schien es, als wüsste er nicht, wie das ging - als hätte er sein Gesicht heute Morgen zum ersten
Mal aufgesetzt und keinen Plan, was er damit anfangen sollte.
    »Nette Krawatte«, sagte Lee.
    Ig blickte an sich hinunter - daran hatte er gar nicht mehr gedacht. Terry hatte die Augen verdreht, als Ig am Dienstagmorgen mit einer blauen Krawatte um den Hals die Treppe heruntergekommen war. »Was soll das denn?«, hatte er spöttisch gefragt.
    Ihr Vater, der gerade in der Küche war, hatte kurz zu Ig hinübergeschaut und dann gesagt: »Schick. Würde dir auch stehen, Terry.« Seither trug Ig ständig eine Krawatte, aber niemand hatte mehr eine Bemerkung darüber verloren.
    »Was verkaufst du denn da?«, wollte Ig wissen und wies mit einer Kopfbewegung auf die Segeltuchtasche.
    »Die kosten sechs Mäuse«, sagte Lee. Er schlug die Klappe zurück und nahm drei verschiedene Zeitschriften heraus. »Such dir eine aus.«
    Die erste hieß ganz einfach The Truth!. Auf dem Titelbild waren ein Bräutigam und seine Braut zu sehen, die in einer riesigen Kirche vor dem Altar knieten. Sie hatten die Hände zum Gebet gefaltet und die Gesichter dem Licht zugewandt, das durch die Buntglasfenster hereinfiel. Ihrer Miene nach zu urteilen, hatten sie gerade Lachgas eingeatmet; sie wirkten beide außer sich vor Glück. Hinter ihnen stand, groß und nackt, ein grauhäutiger Alien. Er hatte beiden eine Hand mit drei Fingern auf den Kopf gelegt - es sah aus, als

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