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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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auf Ig zukam, wobei es aussah, als würde er nicht auf dem Boden, sondern durch die Luft laufen - wie etwas Flüssiges durch die drückende Hitze auf ihn zufließen. Je näher er kam, desto mehr gewannen seine Umrisse an Kontur. Das substanzlose Gespenst, ein Ding aus Hitze und verzerrtem Sonnenlicht, verwandelte sich in einen Menschen, der einen Fuß vor den anderen setzte. Lee trug Jeans und ein weißes Hemd, in denen er eher wie ein Zimmermann denn wie ein politischer Strippenzieher aussah. Als er näher kam, nahm er seine Spiegelbrille ab. Um seinen Hals glitzerte ein Goldkettchen.
    Lees rechtes Auge hatte ganz genau denselben Farbton wie der lodernde Augusthimmel. Die Verletzung seines linken Auges hatte nicht zu der üblichen gleichmäßigen Linsentrübung geführt, die sich wie ein schmutzig weißer Film über die Netzhaut legte. Bei Lee hatte sich ein Cataracta corticalis in Gestalt einer blassblauen Sonne entwickelt, als wäre in seiner tintenschwarzen Pupille ein entsetzlich weißer Stern explodiert. Das rechte Auge war klar und wachsam
auf Ig gerichtet, das linke dagegen leicht nach innen gedreht. Es schien in die Ferne zu starren. Lee hatte immer gesagt, er könne damit durchaus noch sehen, wenn auch nur verschwommen - als würde er durch ein mit Seifenwasser benetztes Fenster blicken. Lee musterte Ig mit seinem rechten Auge. Wer wusste schon, was das linke Auge sah?
    »Ich habe deine Nachricht erhalten«, sagte er. »Du weißt es also.«
    Ig war sprachlos. Er hatte nicht erwartet, dass Lee seine Tat so geradeheraus eingestehen würde, selbst unter dem Einfluss der Hörner nicht. Es war geradezu entwaffnend, seine schüchterne Miene zu sehen, das angedeutete Lächeln - mir ist das ja alles so was von peinlich, kannst du mir noch einmal verzeihen? Als wäre es nur ein gesellschaftlicher Fauxpas gewesen, dass er Igs Freundin vergewaltigt und umgebracht hatte, in etwa so, wie wenn jemand mit schmutzigen Schuhen über den Teppich lief.
    »Ich weiß alles, du Wichser!«, sagte Ig mit zitternder Stimme.
    Lee wurde blass; auf seinen Wangen erschienen rötliche Flecken. Er hob die linke Hand und kehrte die Handfläche nach außen, als wollte er Ig bitten, ihn doch erst einmal anzuhören. »Ig, ich will keine Ausflüchte machen. Ich weiß, dass es ein Fehler war. Ich hatte etwas zu viel getrunken, und sie sah aus, als könnte sie einen Freund gebrauchen. Und dann sind die Dinge aus dem Ruder gelaufen.«
    »Mehr hast du zu deiner Entschuldigung nicht zu sagen? Die Dinge sind aus dem Ruder gelaufen? Herrgott, ich bin hierhergekommen, um dich umzubringen!«
    Lee starrte ihn einen Moment an, schaute rasch über die Schulter zu Eric Hannity und wandte sich dann wieder Ig zu. »Nach dem, was passiert ist, solltest du mit so was lieber
nicht spaßen, Ig. Nach der ganzen Sache mit Merrin solltest du aufpassen, was du in Gegenwart eines Gesetzeshüters sagst. Vor allem in Gegenwart von Eric. Ironie ist nicht so seine Sache.«
    »Ich habe das nicht ironisch gemeint.«
    Lee zupfte an seiner Halskette und sagte: »Du kannst mir glauben, dass ich mich deswegen echt mies fühle. Allerdings bin ich auch froh, dass du es herausgefunden hast. So jemand wie sie passt nicht zu dir, Ig. Es ist besser für dich, dass du sie los bist.«
    Ig konnte nicht anders, er stieß einen leisen gequälten Laut aus und ging auf Lee zu. Er erwartete, dass Lee zurückwich, aber Lee blieb stehen und warf nur Eric noch einmal einen Blick zu. Eric nickte. Ig schaute ebenfalls zu Eric hinüber - und erstarrte. Jetzt erst bemerkte er, dass Eric Hannitys Holster leer war. Und es war leer, weil er den Revolver in einer seiner beiden Hände hielt, die er unter den Achseln verbarg. Ig konnte den Revolver nicht sehen, aber er spürte, dass er da war, er spürte sein Gewicht, als hätte er ihn selbst in der Hand. Und Eric würde ihn auch benutzen, daran zweifelte Ig nicht. Er wollte Terry Perrishs Bruder erschießen, um in die Zeitung zu kommen - HELDENHAFTER POLIZIST TÖTET MUTMASSLICHEN SEXMÖRDER -, und wenn Ig Hand an Lee legte, hätte er die Entschuldigung, die er brauchte. Für den Rest würden die Hörner sorgen. Sie würden Hannity dazu nötigen, diesem Impuls nachzugeben.
    »Ich wusste nicht, dass sie dir so viel bedeutet«, sagte Lee schließlich und atmete tief und gleichmäßig durch. »Himmel, Ig, sie ist eine Schlampe! Ich meine, sie hat ein gutes Herz, aber eine Schlampe war Glenna schon immer. Ich dachte, du wohnst nur bei ihr, damit du von zu

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