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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Revolvers auf den Boden gerichtet.
    Asphaltsplitter spritzten hinter dem Gremlin auf - zwei im Sonnenlicht golden schimmernde Bänder. Als Ig auf die Straße einbog, schaute er noch einmal in den Rückspiegel und sah Lee und Eric in der Staubwolke stehen. Lee hatte das gute rechte Auge wieder geschlossen, und mit einer Hand wedelte er den aufgewirbelten Dreck beiseite. Das halbblinde Auge stand jedoch offen und starrte Ig seltsam fasziniert hinterher.

KAPITEL 24
    Auf dem Rückweg hielt sich Ig auf der Interstate. Auf dem Rückweg wohin? Er wusste es nicht. Er fuhr automatisch, ohne einen bewussten Gedanken auf ein Ziel zu verschwenden. Er wusste nicht, was gerade mit ihm geschehen war. Oder vielmehr: Er wusste es, hatte jedoch keine Ahnung, was es bedeutete. Nicht das, was Lee gesagt oder getan hatte, irritierte ihn, sondern das, was er nicht gesagt und getan hatte. Die Hörner hatten keine Wirkung auf ihn gehabt. Von allen Leuten, mit denen Ig heute zu tun gehabt hatte, war Lee der Einzige gewesen, der ihm nur das gesagt hatte, was er hatte sagen wollen. Sein Geständnis war das Ergebnis einer wohldurchdachten Entscheidung gewesen, kein hilfloses Drauflosreden.
    Ig wollte so schnell wir möglich von der Straße runter. Würde Lee der Polizei erklären, dass Ig völlig verwirrt bei ihm aufgekreuzt sei und ihn mit einem Messer bedroht habe? Eher unwahrscheinlich. Er würde die Bullen möglichst raushalten wollen. Trotzdem, Ig blieb unter der Höchstgeschwindigkeit und hielt im Rückspiegel Ausschau nach einem Streifenwagen.
    Wenn er auf seiner Flucht doch nur so cool bleiben könnte wie Dr. Dre - ein eiskalter Gangster, durch und durch. Aber seine Nerven standen unter Hochspannung, und er
musste immer wieder um Atem ringen. Er fühlte sich emotional völlig ausgelaugt und stand kurz vor einem Zusammenbruch. So konnte er nicht weitermachen! Er musste sich endlich darüber klarwerden, was mit ihm los war. Er brauchte eine verdammte Säge, um diese beschissenen Dinger auf seinem Kopf loszuwerden.
    Beruhigend, beinahe hypnotisch blitzte die Sonne in regelmäßigen Abständen durch die Windschutzscheibe. In Igs Kopf tanzten die Bilder dazu. Das offene Schweizer Messer auf dem Boden, Vera, die in ihrem Rollstuhl den Hügel hinunterraste, Merrin, die ihm an jenem Tag vor zehn Jahren mit ihrem Kreuz etwas zublitzte, das gehörnte Bild auf dem Überwachungsmonitor im Bürogebäude des Kongressabgeordneten, das funkelnde Goldkreuz, das Lee um den Hals getragen hatte - Ig zuckte überrascht zusammen und stieß mit den Knien gegen das Lenkrad. Ihm war etwas ausgesprochen Unangenehmes eingefallen, und er hoffte inständig, dass er sich irrte: Trug Lee etwa Merrins Kreuz? Hatte er es ihr abgenommen, nachdem er sie ermordet hatte, gewissermaßen als Trophäe? Nein, sie hatte es an ihrem letzten gemeinsamen Abend gar nicht getragen. Aber es war ihr Kreuz gewesen. Obwohl es ein Goldkreuz war wie jedes andere, ohne irgendwelche besonderen Merkmale, war sich Ig absolut sicher, dass es sich um dasselbe Kreuz handelte, das Merrin während ihrer ersten Begegnung getragen hatte.
    Ruhelos zwirbelte Ig seinen Kinnbart und fragte sich, ob das Kreuz vielleicht einfach die Wirkung der Hörner aufgehoben oder abgeschwächt hatte. Schließlich halfen Kreuze ja auch gegen Vampire. Nein, das war völliger Blödsinn. Er hatte heute Vormittag ein Gotteshaus betreten, und Father Mould und Schwester Bennett hatten ihre Geheimnisse gar nicht schnell genug ausplaudern können.

    Aber Father Mould und Schwester Bennett hatten sich nicht in einer Kirche befunden. Sondern unter ihr. Das war kein heiliger Ort gewesen, sondern ein Fitnessstudio. Hatten sie Kreuze getragen oder sonst irgendein Zeichen des Glaubens? Ig konnte sich an Father Moulds Kreuz erinnern, das am Ende einer Gewichtsstange hing; Schwester Bennetts dürren Hals hatte ganz sicher kein Kreuz geschmückt. Was sagst du dazu, Ig Perrish? Ig Perrish sagte überhaupt nichts; er fuhr.
    Ein Dunkin’ Donuts, dessen Türen und Fenster mit Brettern vernagelt waren, rauschte links an ihm vorbei, und er stellte fest, dass er sich in der Nähe des Stadtwaldes befand, nicht weit von der Straße, die zur alten Gießerei hinaufführte. Er war weniger als eine halbe Meile von dem Ort entfernt, an dem Merrin ermordet wurde, demselben Ort, den er letzte Nacht aufgesucht hatte, um zu fluchen, zu toben, zu pinkeln und in Ohnmacht zu fallen. Fast schien es, als wäre er den ganzen Tag nur einer Kreisbewegung

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