Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
Vom Netzwerk:
des Hasses, den er immer klarer und deutlicher in sich aufsteigen fühlte. Ein Bruchstück der Offenbarung des Johannes fiel ihm ein: Und aus dem Rauch kamen die Heuschrecken auf die Erde. Die Heuschrecken kamen alle siebzehn Jahre, paarten sich und starben. Lee Tourneau war ein Insekt, nicht besser als eine Heuschrecke - eigentlich sogar schlimmer. Gepaart hatte er sich bereits - jetzt würde er sterben. Und Ig würde ein wenig nachhelfen. Er schob sich die Leuchtfackel in den Ärmel und hielt sie dort mit der rechten Hand fest.
    Schließlich stand er vor einer zweiflügligen Plexiglastür, auf der der Name des ehrenwerten Kongressabgeordneten von New Hampshire prangte. In den abgetönten Scheiben sah er sein Spiegelbild: ein hagerer, verschwitzter Kerl, der
sich den Anorak bis zum Hals zugezogen hatte und dem man ansah, das er Übles im Schilde führte. Von seinen Hörnern ganz zu schweigen. Die Haut um sie herum war aufgeplatzt, und die Knochen darunter waren vom Blut rosa. Noch schlimmer als die Hörner war jedoch sein Grinsen. Hätte er sich selbst von der anderen Seite der Glasfront aus kommen sehen - er hätte sofort die Polizei gerufen.
    Er öffnete die Tür und trat in die klimatisierte, mit Teppich ausgelegte Stille. Hinter dem Empfangstisch saß ein dicker Mann mit einem Bürstenhaarschnitt und unterhielt sich fröhlich mit seinem Headset. Direkt rechts daneben befand sich ein Sicherheitskontrollpunkt, an dem Besucher durch einen Metalldetektor gehen mussten. Hinter dem Monitor dort saß ein etwa fünfzigjähriger Polizist und kaute Kaugummi. Durch ein Plexiglasschiebefenster konnte man in ein kleines, fast leeres Zimmer schauen, in dem eine Landkarte von New Hampshire an der Wand hing und ein Tisch mit einem weiteren Überwachungsmonitor stand. Ein zweiter Polizist, ein riesenhafter Mann mit breiten Schultern, saß dort über einen Stapel Papiere gebeugt an einem Klapptisch. Sein Gesicht konnte Ig nicht sehen, aber er hatte einen fleischigen Nacken und eine riesige weiße Glatze, die irgendwie obszön wirkte.
    Die Polizisten und der Metalldetektor verunsicherten Ig. Als er sie sah, kamen ihm ungute Erinnerungen an den Flughafen hoch, und ihm brach der Schweiß aus. Er hatte Lee seit über einem Jahr nicht mehr besucht, und soweit er sich erinnern konnte, waren die Sicherheitsmaßnahmen neu.
    Der Mann am Empfang sagte »also, mach’s gut, Schatz« in sein Headset, drückte einen Knopf auf dem Schreibtisch und musterte Ig. Er hatte ein großes rundes Mondgesicht,
und wahrscheinlich hieß er »Chet« oder »Chip«. Durch seine rechteckige Brille sah er Ig bestürzt an.
    »Kann ich behilflich sein?«, fragte er Ig.
    »Ja. Wären Sie so nett …«
    Aber dann erregte etwas anderes Igs Aufmerksamkeit: der Überwachungsmonitor in dem Zimmer auf der anderen Seite des Plexiglasfensters. Er zeigte eine Fischaugenansicht des gesamten Empfangsbereichs - die Topfpflanzen, die dezenten Plüschsofas und Ig selbst. Allerdings war mit dem Monitor irgendetwas nicht in Ordnung. Einerseits war Ig darauf so zu sehen, wie er tatsächlich war - ein blasser, hagerer Mann mit hoher Stirn, einem Kinnbart und geschwungenen Hörnern. Aber da gab es noch ein zweites Bild, das das erste schattengleich überlagerte; es flackerte und verschwand zwischendurch immer wieder. Dieser zweite Ig hatte keine Hörner - das Bild zeigte ihn nicht, wie er aussah, sondern wie er früher ausgesehen hatte! Es war, als könnte er seiner Seele zusehen, wie sie versuchte, sich von dem Dämon loszureißen, an den sie gefesselt war.
    Der Polizist, der in dem spartanisch eingerichteten, hell erleuchteten Zimmer saß, hatte ebenfalls etwas bemerkt und sich dem Monitor zugewandt. Er hatte sich so weit weggedreht, dass Ig nur sein Ohr sehen konnte und seinen glänzenden weißen Schädel, eine Kanonenkugel aus Haut und Knochen, die auf dem bulligen Nacken ruhte. Nach kurzem Zögern streckte der Polizist die Hand aus und schlug so fest mit der Faust gegen den Monitor, dass das Bild vorübergehend ganz aussetzte.
    »Sir?«, sagte der Mann am Empfang.
    Ig riss sich vom Monitor los. »Könnten … könnten Sie Lee Tourneau Bescheid geben, dass Ig Perrish ihn sprechen möchte?«

    »Bevor ich Sie durchlassen darf, muss ich Ihren Führerschein sehen und Ihnen einen Besucherausweis ausdrucken«, sagte der Mann mit tonloser Stimme, wobei er mit weit aufgerissenen Augen die Hörner anstarrte.
    Ig blickte zum Metalldetektor hinüber - da würde er mit der

Weitere Kostenlose Bücher