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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Hause wegkommst.«

    Ig hatte keine Ahnung, was Lee meinte. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen; selbst das entsetzliche Sägen der Heuschrecken schien zu verstummen. Dann ging Ig ein Licht auf - ihm fiel ein, was Glenna im heute Morgen gestanden hatte, was ihr die Hörner entlockt hatten. Das konnte doch unmöglich erst ein paar Stunden her sein!
    »Von ihr rede ich doch gar nicht«, sagte Ig. »Wie kannst du bloß glauben, es ginge um Glenna!«
    »Um wen denn sonst?«
    Jetzt war Ig völlig verwirrt. Wildfremde Leute hatten ihm ihre intimsten Geheimnisse verraten. Kaum sahen sie Ig, kaum sahen sie seine Hörner, konnten sie sich nicht mehr bremsen. Der Mann am Empfang redete über die Unterwäsche seiner Mutter und Eric Hannity über seinen Wunsch, Ig zu erschießen, um in die Zeitung zu kommen, und jetzt war Lee an der Reihe. Aber alles, was er gestand, war, dass ihm eine betrunkene Frau einen geblasen hatte.
    »Merrin«, sagte Ig mit heiserer Stimme. »Ich rede über das, was du Merrin angetan hast.«
    Lee legte den Kopf schräg, nur ein wenig, so dass sein rechtes Ohr himmelwärts deutete - wie ein Hund, der auf ein entferntes Geräusch lauschte. Dabei atmete er kaum hörbar aus. Dann schüttelte er ganz leicht den Kopf.
    »Ich kann dir nicht folgen, Ig. Was, bitte, habe ich deiner Meinung nach …«
    »Scheiße, du hast sie umgebracht. Ich weiß, dass du es warst. Du hast sie umgebracht und Terry dann gezwungen, nichts zu verraten.«
    Lee musterte Ig eingehend. Dann schaute er kurz zu Eric Hannity hinüber - wie um festzustellen, ob Eric sie hören konnte. Konnte er nicht. Dann wandte er sich wieder zu Ig um, das Gesicht plötzlich so leer und ausdruckslos, dass Ig
vor Angst fast einen Schrei ausgestoßen hätte. Es war ein irgendwie komischer Anblick - ein Teufel, der sich vor einem Menschen fürchtete anstatt andersherum.
    »Terry hat dir das erzählt?«, sagte Lee. »Dann ist er ein gottverdammter Lügner.«
    Aus irgendeinem Grund hatten die Hörner keinen Einfluss auf Lee. Als stünde er hinter einer Mauer, die sie nicht durchbrechen konnten. Ig wandte seine ganze Willenskraft auf, und für einen Moment hatte er das Gefühl, dass sie vor Blut und Hitze anschwollen, aber das war nicht von Dauer. Es war, als versuchte er, eine Trompete zu spielen, die mit einem Stoffknäuel verstopft war. Ganz egal, wie fest man hineinblies, man konnte ihr keinen Ton entlocken.
    »Ich hoffe, er hat das sonst niemandem erzählt«, fuhr Lee fort. »Und du auch nicht.«
    »Noch nicht. Aber bald wird alle Welt wissen, was du getan hast.« Konnte Lee die Hörner überhaupt sehen? Er hatte sie nicht erwähnt. Nicht einmal angeschaut hatte er sie.
    »Das wäre sehr unerfreulich«, sagte Lee. Dann spannten sich seine Kiefermuskeln an. »Nimmst du das etwa auf?«
    »Ja«, sagte Ig, aber er hatte zu lange gezögert, und es war auch die falsche Antwort. Niemand, der einem anderen eine Falle stellen wollte, würde zugeben, das Gespräch aufzuzeichnen.
    »Von wegen. Du warst noch nie ein guter Lügner, Ig«, sagte Lee und lächelte. Mit der linken Hand strich er über das Goldkettchen, dass er um den Hals trug. Die andere hatte er in die Hosentasche gesteckt. »Pech für dich! Wenn du dieses Gespräch mitschneiden würdest, hättest du vielleicht etwas in der Hand. Aber so kannst du rein gar nichts beweisen. Vielleicht hat dein Bruder etwas gesagt, als er betrunken war, keine Ahnung. Aber was auch immer er behauptet
hat, vergiss es lieber, anstatt es auch noch herumzuerzählen. Alte Geschichten aufzuwärmen hat noch nie jemandem was gebracht. Denk doch mal nach. Kannst du dir vorstellen, wie Terry zur Polizei geht und wirres Zeug redet, von wegen ich hätte Merrin umgebracht - und dann steht mein Wort gegen seines, nachdem er ein Jahr lang geschwiegen hat? Ohne irgendwelche Beweise? Und weißt du was, Ig? Es gibt keine mehr. Die sind alle futsch. Wenn er damit an die Öffentlichkeit geht, bedeutet das bestenfalls das Ende seiner Karriere. Schlimmstenfalls landen wir beide im Gefängnis. Ich verspreche dir, dass ich ihn da auf jeden Fall mit reinreiße.«
    Lee zog die Hand aus der Tasche, um sich mit dem Knöchel das gute Auge zu reiben, so als müsste er ein Staubkorn entfernen. Für einen Moment war das rechte Auge geschlossen, und er starrte Ig mit dem verletzten Auge an, dem Auge, das von den weißen Speichen durchwoben war. Und zum ersten Mal begriff Ig, was an dem Auge so furchtbar war - was an ihm schon immer so furchtbar

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