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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Kupfer. Er schmeckte auch nach Gras, als hätte er irgendwie den Duft des Sommers angenommen.
    Ig fuhr weiter zur alten Gießerei und holperte langsam über die verwilderte Wiese. Während er auf das Gebäude zurollte, suchte er es nach Lebenszeichen ab. In seiner Jugend wären an einem heißen Augustabend die Hälfte der Kids von Gideon hier draußen gewesen, um sich auf die eine oder andere Weise zu vergnügen: mit einer Zigarette, einem Bier, einem Kuss und mehr. Oder sie hätten das kribbelnde Gefühl ihrer eigenen Sterblichkeit ausgekostet, indem sie den Evel-Knievel-Hang hinunterrasten. Vielleicht kamen die Kids nicht mehr so gern hierher, seit Merrin ganz in der Nähe ermordet worden war. Vielleicht glaubten sie, dass es in der alten Gießerei spukte. Vielleicht hatten sie recht.
    Er fuhr zur Rückseite des Gebäudes und hielt direkt oberhalb des Evel-Knievel-Hangs im Schatten einer Eiche. Ein blauer Rüschenrock, ein langer schwarzer Strumpf und ein Mantel hingen an den Ästen, als wüchse dort schimmelige Wäsche. Vor der Stoßstange des Gremlin führten die rostigen alten Rohre zum Fluss hinunter. Ig schaltete den Motor ab und stieg aus, um sich umzuschauen.
    Er war schon seit Jahren nicht mehr in der alten Gießerei gewesen, aber auf den ersten Blick hatte sie sich kaum verändert. Das Gebäude war nach oben hin offen, und die Backsteinbogen und Pfeiler reckten sich dem schräg einfallenden rötlichen Licht entgegen. Graffiti aus dreißig Jahren bedeckten in mehreren Schichten die Mauern. Die einzelnen
Botschaften standen völlig sinnfrei nebeneinander - aber andererseits: War nicht auch jede Botschaft für sich genommen bedeutungslos? Ig hatte irgendwie den Eindruck, dass sie im Grunde alle dasselbe aussagten: Ich bin, ich war, ich möchte sein.
    Ein Teil einer der Mauern war eingefallen, und Ig umrundete einen Ziegelhaufen und eine Schubkarre voller verrosteter Werkzeuge. An der rückwärtigen Wand des größten Raumes befand sich der Kamin. Die Eisenklappe des Hochofens stand offen. Sie war gerade groß genug, dass man hineinkriechen konnte.
    Ig ging hinüber und spähte hinein. Er sah eine Matratze und eine Sammlung roter Kerzen, die zu fetten Stummeln herabgebrannt waren. Eine schmutzige Decke, die einmal blau gewesen war, lag daneben. Weiter hinten, in einem Kreis aus kupferfarbenem Licht direkt unterhalb des Kamins, entdeckte Ig die verkohlten Überreste eines Lagerfeuers. Er hob die Decke auf und roch daran. Sie stank nach abgestandenem Urin und Rauch. Gedankenverloren ließ es sie wieder fallen.
    Während er zu seinem Wagen zurückschlenderte, um die Flasche und sein Handy zu holen, musste er sich endlich eingestehen, dass die Schlangen ihm folgten. Er konnte sie hören - das Rascheln, dass ihre Leiber verursachten, wenn sie durch das trockene Gras glitten. Alles in allem waren es fast ein Dutzend. Ig griff nach einem Betonbrocken, der im Gras lag, drehte sich um und warf ihn. Eine der Schlangen wich mühelos aus. Keine von ihnen wurde getroffen. Sie bewegten sich nicht, sondern beobachteten ihn nur im schwindenden Tageslicht.
    Er versuchte sie zu ignorieren, doch als er bei seinem Wagen ankam, ließ sich eine armlange Rattennatter aus
den Ästen der Eiche fallen und landete mit einem blechernen Knall auf der Motorhaube. Ig wich mit einem Aufschrei zurück, machte dann einen Satz nach vorn und packte sie, um sie vom Auto herunterzuwerfen.
    Eigentlich dachte er, er hätte sie am Kopf erwischt, aber offenbar hielt er sie zu weit hinten gepackt, denn sie schlug ihm die Zähne in die Hand. Es fühlte sich an, als hätte ihm jemand mit einem Tacker eine Klammer in den Daumen gejagt. Er ächzte und schleuderte die Schlange ins Gebüsch. Als er sich den Daumen in den Mund steckte, schmeckte er Blut. Wegen Gift machte er sich keine Sorgen. In New Hampshire gab es keine Giftschlangen. Nun ja, ganz richtig war das nicht. Dale Williams war oft und gern mit Ig und Merrin in den White Mountains wandern gegangen und hatte sie vor Klapperschlangen gewarnt. Aber es war klar, dass er es nicht ernst meinte - seine Stimme und die roten Pausbacken hatten ihn stets verraten. Sonst hatte Ig noch von niemandem gehört, es gebe in New Hampshire Klapperschlangen.
    Er fuhr herum und funkelte sein Reptiliengefolge wütend an. Inzwischen waren es fast zwanzig.
    »Verdammte Scheiße, verpisst euch!«, brüllte er.
    Sie erstarrten und sahen ihn aus dem hohen Gras heraus durchdringend an. Ihre geschlitzten Augen blitzten

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