Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Vater seine Tochter nicht an sich binden durfte wie eine Lebensgefährtin und Kinder ihr Leben nicht für das der Eltern opfern mussten.
«Ihr habt Euer Zuhause, das Bürgerrecht verloren, was war eigentlich der Grund?»
«Weshalb fragt Ihr?»
«Reden wir über Euren Vater, über seine Launen und seine Laster, und vielleicht wird Euer Gewissen leichter.»
Sie strich ihr kräftiges Haar zurecht und lächelte schwach.
«Der Verlust des Bürgerrechts?!»
Sie schüttelte den Kopf und holte tief Atem.
«Ich denk’ ungern daran. Aber vielleicht tut’s gut, Euch davon zu erzählen.»
Sie runzelte die Stirn und begann: «Unser Nachbar war ein Sohlenklopfer und stadtbekannt, aber nicht wegen seines handwerklichen Könnens, sondern wegen seiner Gläubigkeit, mit der er sich den Titel ‹Der Schuhnagel Seiner Heiligkeit› eingehandelt hatte. Eines Abends stand er in unserer Stube, die schwülstige Nase wichtig in die Höhe gereckt und die Äuglein hinter dicken Brillengläsern wässrig vor Eifer. Ich vermutete nichts Gutes, der siebentägige Werkstattsschweiß, der an ihm klebte, und die Bibel, die er tatendurstig in den dicken Greifern drückte, waren mir keine guten Zeichen.»
Sie krauste ihre Nasenflügel, fächerte sich mit der rechten Hand Luft zu und zog ein Gesicht, das mehr über die Erscheinung des Sohlenklopfers sagte als jedes gesprochene Urteil.
«Er wollte die Seele meines Vaters retten. Seine Predigt war kurz, nie vergesse ich sie: «Mein lieber Freund und Nachbar, Ihr wisst, dass Ihr mit Euren Experimenten im Labor Gott und allen Heiligen abgesagt und Euch dem Teufel ergeben habt. Damit seid Ihr in den größten Zorn und die Ungnade Gottes gefallen, denn aus Euch, einem Christen, ist ein rechter Ketzer und Teufel geworden. Deshalb, mein guter Nachbar, befolgt meinen Rat, es ist noch nichts versäumt, und wenn Ihr nur wieder umkehrt, bei Gott um Gnad und Verzeihung ansucht wie Simone in Samaria, dann, ja, dann sehe ich vielleicht Rettung für Euch!»
«Beim Allmächtigen», flüsterte der Abt, «diese jämmerlichen Knilche!»
«Ich hörte förmlich, wie der Geduldsfaden meines Vaters riss, er lief puterrot an und bekam einen Schreikrampf. Halbschlaues Scheißhaus, schweflige Teufelskacke, mit solchen und ähnlichen Kraftausdrücken verwies er ihn des Hauses.»
«Und da machte sich ein Bibelschlecker auf und davon!»
«Nein, ihr irrt Euch, er blieb sitzen, leider, mit der Ruhe des selbsternannten Märtyrers, bis mein Vater, völlig von Sinnen, Kuno, unseren altersschwachen schwarzen Schäfer, in die Stube schleppte und ihn anbrüllte: «Schwager, Teufel, wach auf und nimm den Kerl mit in die Hölle!»
Sie hob den Becher an, doch anstatt daraus zu trinken, stellte sie ihn fahrig wieder hin, so dass ein wenig Wein herausschwappte und über die Finger spritzte.
«Kuno duckte sich, winselte und knurrte zweimal. Seine Tage als tüchtiger Wachhund waren endgültig vorbei. Trotzdem, der Schuster reagierte auf das Knurren, zitternd hielt er die Bibel in seinen Wurstfingern und stolperte aus der Stube.»
«Der Bursche berichtete wohl nicht nur seiner Frau.»
«Wo denkt ihr hin, allen berichtete er, jedem, der seinen Weg kreuzte, und man schenkte ihm Gehör, überall, wo er sonst auch Willige für sein Evangelium fand, im Stadtrat, in den Zünften und in den Wirtshäusern. Fünf Tage dauerte es, bis man meinen Vater vor den Rat zerrte.»
Sie wischte sich den Wein von den Fingern, schob den Becher von sich und blickte nachdenklich zum Waldrand.
Wie die Geschichte weiterging, wusste der Abt.
Nicht nur einmal hatte er mit ihr in den vergangenen Monaten gehadert. Ferdinands Wundfieber, der Zufall, dass der heimatlose Wunddoktor und Lena in Haldenburg ihre Dienste feilboten, Ferdinands Genesung, Ferdinands Flucht bei Nacht und Nebel – diese Ereignisse waren die Glieder eine unheilvollen Kette, die sich verhängnisvoll in die Zukunft zu spannen schien.
Er betrachtete Lenas feingliedrige, von der Arbeit raue Hand, die sich leicht zitternd an einem Splitter im Tischbrett zu schaffen machte, und ertappte sich beim Vorwurf, dass diese junge Frau neben ihm den Keimling der Menschlichkeit gefährdete, den er, der Abt, für das Fürstentum gepflanzt hatte.
Er griff nach der Weinflasche, drehte sie nachdenklich um ihre Achse und gab sich mit den Fingerspitzen einen leichten Klaps gegen die Stirn.
Seine Überlegung war falsch.
Er konnte doch auch nicht die Goldmünze beschuldigen, sie verführe einen Menschen
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