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Teuflisch erwacht

Teuflisch erwacht

Titel: Teuflisch erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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Schulnote oder eine Bestleistung im Sport, aber gewiss nicht das, was sie durchzogen. Anna schluckte schwer. Sie ekelte sich an. Super, wir töten eine Oma.
    Marla griff nach dem Kissen und stopfte es hinter Waltrauds Rücken, damit es ihren Kopf stützte und sie aufrechter saß.
    Waltraud starrte zur Decke und ließ das Zurechtrücken über sich ergehen. Ob sie wirklich nichts mitbekam? Himmel, Demenz zu haben, musste furchtbar sein, doch in diesem speziellen Fall war es vielleicht ein Segen für die Erkrankte. Die wenigsten Menschen fürchteten den Tod, aber sie hatten Angst vor dem Sterben. Ob Demenzpatienten so weit dachten? Niemand konnte diese Frage beantworten, außer Josh vielleicht. Er konnte Gedanken lesen. Anna würgte. Josh Fingerless war der Letzte, an den sie denken wollte, während sie Waltrauds unschuldiges Gesicht betrachtete.
    Marla zog ein Döschen aus ihrer Tasche und schraubte es auf. Ihre Finger zitterten und sie brauchte drei Versuche, den Deckel zu öffnen.
    Also nahm sie das alles doch nicht so locker, wie sie vortäuschte.
    Eine grünliche Paste klebte am Rand des Behälters. Marla beförderte einen Plastikhandschuh aus dem Mantel, schlüpfte hinein und salbte Waltrauds Gesicht mit der zähen Masse. Ein Geruch, der entfernt an Eukalyptus erinnerte, durchbrach die stickige Krankenzimmerluft. Dampf stieg auf, hüllte Waltrauds Haut in rauchiges Gold. Ihre Züge verschwammen und ein schimmernder Strudel verschluckte die Hautoberfläche. Die Situation wirkte irreal. Sie hatte Marla schon öfter zaubern gesehen, aber noch nie war ihr die Welt so befremdlich dabei vorgekommen. Als träumte sie und beobachtete das Geschehen aus weiter Ferne.
    Marla flüsterte eine Formel.
    Gänsehaut kletterte Annas Arme hinauf und fesselte sie auf widerliche Weise. Marlas Spruch besaß Macht. Der Raum lud sich elektrisch auf, knisternd sammelte sich der goldene Dampf zu kleinen Wolken zusammen. Waltraud veränderte sich. Langsam, fast wie in Zeitlupe, traten ihre Gesichtszüge zurück auf die Haut. Jede Falte glättete sich zögerlich, als ob Marla mit der Hand über Seidenpapier führe. Ihr wuchs ein leichter Flaum über der Oberlippe, bevor er sich zu einem Bart verdichtete. Die Augenbrauen mutierten zu grauem Dickicht. Dank des spärlich behaarten Kopfes saß nun scheinbar ein Mann im Rollstuhl.
    Anna sog scharf die Luft ein. Die Wunder der Schöpfung endeten niemals. Das Leben war ein Phänomen. Der Tod ebenso und auch alles, was dazwischen lag. Die Tatsache tröstete sie ungemein.
    »Leg ihr die Decke über.«
    Anna griff nach dem Oberbett, aber Marla hielt sie davon ab. »Nein, die auf dem Stuhl. Verdeck das Nachthemd und die nackten Beine.«
    Logisch, eine Wolldecke. Es wäre wohl auch verräterisch gewesen, mit dem Krankenhausbezug abzudampfen. Während Marla die Zauberutensilien von der Schattenreise einsammelte, hüllte Anna die alte Frau in die cremefarbene Decke. Noch immer hatte ihr die Formel die Sprache verschlagen. Marla war mächtig, sie bewies es jedes Mal aufs Neue. War sie mächtig genug, die Fingerless zu schlagen? Sie konnte nur beten, dass ihre Idee Früchte trug. Glücklicherweise traute sie Marla inzwischen alles zu. Sie würden gewinnen, das Gefühl blieb erhalten.
    Marla schob den Rollstuhl zur Tür. Sie öffnete sie einen Spalt und spähte hinaus. »Ganz hinten steht ein Arzt. Moment.« Ihr Kopf bewegte sich noch mal in die andere Richtung. »Jetzt.«
    Anna blieb keine Zeit, sich vorzubereiten. Ohne eine Sekunde Zeit zu verschwenden, raste Marla los und schlug ein forsches Tempo an. Anna zwang ihre tauben Glieder vorwärts und hastete hinter ihr her. Sie vergaß, die Tür zu schließen, warf einen hektischen Blick über die Schulter und kollidierte beinahe mit einer jungen Ärztin, die um die Ecke bog.
    »Huch!« Annas Herz überschlug sich, die Umgebung flackerte kurz. Verdammt, sie stand kurz davor, eine Panikattacke zu bekommen. Die Ärztin musste ihr ansehen, dass etwas nicht in Ordnung war.
    »Entschuldigung, falsche Etage.« Marla lächelte und rettete die Situation. Sie war die geborene Verbrecherin. Wo hatte sie gelernt, ein so perfektes Pokerface aufzusetzen?
    Die Ärztin ging kommentarlos weiter.
    »Guck, wo du hinläufst«, zischte Marla.
    Fast hätte sie es versaut. Noch so eine Aktion und die Zeit, die sie damit stahl, würde Waltraud zurückverwandeln, ehe sie es zum Wagen schafften. Anna spannte an und ballte die Hand zu einer Faust. Es war der falsche Moment, die

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