Teuflische Schwester
wandte sich an ihren Mann. »Jetzt sind sie sicher schon
unterwegs. Da können wir ohnehin nichts mehr machen.«
»Na ja«, meinte Charles beunruhigt. »Vielleicht sollte
ich mal anrufen …«
Doch schon zog ihn Phyllis zur Tanzfläche. »Vielleicht
solltest du mal mit deiner Frau tanzen«, entgegnete sie.
»Wenn sie in zehn Minuten nicht da sind, können wir
uns immer noch Sorgen machen.« Sie schmiegte sich an
ihn. Nach kurzem Zögern wirbelte Charles mit ihr übers
Parkett.
Als fünf Minuten später der Schlußakkord verhallte und
das Stimmengewirr um sie herum wieder anschwoll,
strahlte Phyllis ihren Mann an. »Ich hab’s geschafft«,
flüsterte sie ihm ins Ohr. »Hast du es vorhin gehört? Sogar
Eleanor Stevens meint, daß sie noch nie so einen schönen
Ball erlebt hat. Und der Ball im August wird noch besser.
Ich habe mir schon Gedanken gemacht. Dieses Jahr
werden wir mal auf die Herbstfarben verzichten. Da
gehört etwas Neues …« Ihre Stimme verlor sich. Schon
vorher waren die anderen um sie herum verstummt. Sie
versuchte festzustellen, was der Grund für die plötzliche
Stille sein mochte. Im ersten Augenblick sah sie nichts.
Da alle in die gleiche Richtung – zur Tür – schauten,
drehte sie sich um.
Und fuhr zusammen.
In der Öffnung stand eine sonderbare, weißgekleidete
Gestalt. Im ersten Schreck hielt Charles sie fast für einen
Geist aus der Vergangenheit. Doch es war nur ein
Mädchen in einem altmodischen Kleid. Das blonde
hüftlange Haar war ihr ins Gesicht gefallen. Nur so viel
war zu erkennen: Leichenblässe und tränen verschmierte
Wangen. Und erst jetzt erkannte Phyllis das Kleid. Ihr
stockte der Atem.
Dieses Kleid hatte sie doch erst letzte Woche auf ihrem
Speicher hängen sehen!
Und jetzt trug es ihre Tochter. Regungslos stand Melissa
in der Tür. Die Tränen strömten ihr übers Gesicht, und sie
starrte sie nur an.
Phyllis stöhnte auf. Sie hatte sich nicht getäuscht – der
Ball hatte zu gut angefangen, um so rauschend
weiterzugehen. Eigentlich hätte sie sich den Grund für ihre
Vorahnungen gleich denken können.
Melissa.
Wieder einmal setzte ihre Tochter alles daran, sie
gründlich zu blamieren. Und das ausgerechnet in der
Nacht, in der sie hier den Gipfel des Ruhms hätte
erklimmen können. Ihre Finger krallten sich um Charles’
Arme.
»Mach was«, forderte sie ihn auf. »Kannst du nicht …«
Es war schon zu spät. Mit einem Schlag erwachte
Melissa aus der Erstarrung. Sie rannte durch all die Leute,
die erschrocken zurückwichen, als fürchteten sie die bloße
Berührung mit ihr. Ohne auf ihre Mutter zu achten, warf
Melissa sich ihrem Vater in die Arme.
»Missy?« rief Charles. »Was hast du denn, mein
Liebling?«
»Ein … ein Wagen!« stammelte Melissa. Sie sah flehend
zu ihm auf. Ihre Stimme zitterte. Immer wieder kämpfte
sie ein Schluchzen nieder. »Er ist von der Straße
abgekommen, Papa. Ich kann nichts dafür! Ich hab’
überhaupt nichts getan!«
Ihre Worte gingen plötzlich in einem allgemeinen
Stimmengewirr unter. Die Gäste strömten alle zum
Ausgang.
»Was für ein Wagen?« fragte Charles.
Melissa schluckte. »Ein schwarzer. Er sah so aus wie der
von Brett.«
Phyllis zuckte zusammen. »Der von Brett?« rief sie.
»Warst du denn nicht …«
»Jetzt nicht«, unterbrach sie ihr Mann. »Wir müssen erst
nachsehen, was geschehen ist.« Er nahm Melissa fest bei
der Hand und drängte sich durch die Menge zur Tür.
Das Bild am Unfallort hatte etwas Unwirkliches an sich.
Auto an Auto stand mit brennenden Scheinwerfern auf der
Straße. Sonderbar gekleidete Gestalten tanzten ein
groteskes Ballett. Immer neue Partygäste stiegen aus den
Wagen, liefen in ihrer Verkleidung zur durchbrochenen
Leitplanke, flüsterten einander die neuesten Meldungen
vom Felsenstrand zu, huschten ins und wieder aus dem
Scheinwerferlicht.
Melissa weinte jetzt nicht mehr. Ihr Vater hatte
schützend einen Arm um ihre Schulter gelegt; an seine
freie Hand klammerte sie sich mit aller Kraft. »Bitte nicht
Jeff«, flüsterte sie. »Jeff darf es nicht sein … Es war Bretts
Wagen …« Die Stimme versagte ihr. Innerlich versuchte
sie das Geschehene zu verarbeiten. Es war doch nicht
wirklich geschehen – das war gar nicht möglich! Jeff wäre
der letzte, dem sie etwas Böses wünschte. Sie unterdrückte
ein Schluchzen und preßte sich noch enger an ihren Vater.
Vom Clubhaus hatte man einen Scheinwerfer gebracht.
Durch eine schier endlose Schlange von
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