Teuflische Schwester
Schulter und führte sie
behutsam in ihr Zimmer zurück. Sie legte sich ins Bett,
und er deckte sie zu. »Möchtest du, daß ich das Licht
anlasse?« fragte er nach dem Gutenachtkuß.
Melissa schüttelte den Kopf. »Es geht schon. Ich habe
keine Angst vor der Dunkelheit.«
»Na schön. Schlaf gut. Und wenn du wieder schlecht
träumst, kannst du jederzeit zu mir kommen und mich
wecken.« Er schaltete das Licht aus, machte die Tür leise
zu und ging ins Schlafzimmer zurück.
Phyllis saß nach wie vor aufgerichtet auf dem Bett. Die
Hände hatte sie vor der Brust verschränkt. Kaum war er
eingetreten, legte sie los: »Sie ist nur wieder
schlafgewandelt. Mit den Riemen wäre …«
Charles blitzte sie aufgebracht an. »Dieses verfluchte
Zeug nützt nicht das geringste. Sie hat so schreckliche
Angst vor den Fesseln, daß sie alles nur noch schlimmer
machen! Morgen rufe ich Doktor Andrews an. Er soll sich
mit ihr unterhalten.«
»Ja, hervorragend!« spuckte Phyllis ihm entgegen.
»Die ganze Stadt hält sie schon für verrückt, und jetzt
mußt du sie auch noch zu diesem Psychiater schleppen!«
»Mein Gott, Phyllis!« überschrie Charles seine Frau.
»Sie hat in den letzten Wochen viel durchmachen
müssen. Erst mußte sie sich an Teri gewöhnen, und heute
hat sie einen Jungen sterben sehen. Sie steht unter Schock.
Wer wäre da nicht verängstigt? Da ist es doch keine
Lösung, wenn man sie ans Bett fesselt! Uns beiden wird
jedenfalls ein Gespräch mit Burt Andrews nicht weh
tun…«
»Und was ist mit mir?« schrie Phyllis noch lauter.
»Meinst du vielleicht, ich hätte es in der Zeit
leichtgehabt? Ein einzig Gutes ist dabei herausgekommen:
Teri. Sie ist ein wahrer Engel, nicht nur für mich, sondern
auch für Melissa. Und was ist Melissas Dank? Sie
verkleidet sich als Gespenst – das sie auch noch für echt
hält –, geht raus und erschreckt den Sohn einer Freundin
buchstäblich zu Tode! Verrückt ist sie nicht. Sie weiß
genau, was sie tut. Sie tut es nur, um mich vor allen
Leuten unmöglich zu machen! Aber das werde ich nicht
dulden. Da ist sie an die Falsche ge …«
Ihre Tirade kam zu einem abrupten Ende. Fassungslos
starrte sie auf Charles.
Zum erstenmal in ihrer Ehe hatte er sie geschlagen.
Sie verbarg das Gesicht in den Händen und fing an zu
weinen. Wie erstarrt stand Charles da. Die eigene
Reaktion hatte ihn selbst überrascht. Schließlich wandte er
sich ab. »Wahrscheinlich hätte ich das nicht tun dürfen«,
meinte er bedrohlich sanft und legte sich wieder ins Bett.
»Aber ganz ehrlich: Du hast es verdient.«
Er schaltete das Licht aus und kehrte seiner
schluchzenden Frau den Rücken zu.
Teri hatte die ganze Zeit vor der Schlafzimmertür
gelauscht. Unbemerkt schlich sie in ihr Zimmer zurück.
Dort entnahm sie der obersten Schublade einen in ein
Taschentuch gewickelten Gegenstand und verschwand
damit im Bad. Erst vergewisserte sie sich, daß die Tür zu
Melissas Zimmer auch zugesperrt war, dann packte sie ihn
aus und legte ihn ins Waschbecken.
Es war die Hand der Gliederpuppe vom Speicher.
Während sie das Ketchup, das sie als Blut benutzt hatte,
vorsichtig abwusch, schaute sie sich die Hand noch einmal
genau an. Ein Finger war beim Aufprall abgebrochen und
ein weiterer hatte einen Sprung abbekommen.
Aber ihr Trick hatte vorzüglich geklappt. Wie damals,
als sie Blackie vom Dachsparren hatte hängen sehen, war
Melissa sofort ins Schlafzimmer ihrer Eltern gerannt. Teri
hatte genügend Zeit gehabt, sich das Kleid vom Leib zu
reißen, in einer Truhe zu verstauen und die paar
Ketchuptropfen von der Treppe wegzuwischen. In aller
Ruhe war sie dann in ihr Zimmer zurückgegangen, um
sich von Melissas Schreien ›wecken‹ zu lassen.
Statt dessen hatten ihr Vater und ihre Stiefmutter zu
schreien angefangen. Sie hatte den Streit im vollen
Wortlaut mitbekommen.
Ein Psychiater.
Was würde der Psychiater wohl sagen, wenn Melissa
ihm von D’Arcy erzählte? Sie lächelte. Mit etwas Glück
würde er sie gleich dabehalten.
Sie trocknete die Hand ab und ging damit noch einmal
auf den Speicher, wo sie sie der Puppe wieder an den Arm
steckte. Dann schaltete sie das Licht im Speicher aus und
kehrte in ihr Zimmer zurück.
Sie hatte das Licht ausgeknipst und lag wieder im Bett,
als sie zum Fenster blickte.
Jenseits der Terrasse, hinter dem Swimmingpool, konnte
sie Cora Petersons Häuschen sehen.
Eins von den Fenstern im ersten Stock war erleuchtet.
Dahinter stand jemand.
Es
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