Teuflische Schwester
Hand. Wenn sie sich auf den Roman
konzentrierte, mußte sie vielleicht nicht ständig an ihre
Sorgen denken. Aber die Buchstaben tanzten vor ihren
Augen nur auf und ab. Die Leere im Haus wurde ihr nur
noch eindringlicher bewußt.
Auch wurde sie das Gefühl nicht los, daß draußen etwas
nicht stimmte.
Sie versuchte sich einzureden, daß ihre Fantasie mit ihr
durchging, doch je mehr sie gegen ihre Ahnungen
ankämpfte, desto bedrückender wurden sie.
»Du bist doch eine närrische alte Frau«, murmelte sie
vor sich hin und stand noch einmal auf. »Du steigerst dich
nur in was hinein, was wahrscheinlich überhaupt kein
Problem ist. Und jetzt ängstigst du dich zu Tode und
machst am Ende aus einer Mücke einen Elefanten.«
Trotzdem schlurfte sie zur Tür, schaltete das Außenlicht
an und trat auf die Veranda.
Im ersten Augenblick schien die Nacht sie zu
verschlucken. Das unangenehme Gefühl in der
Magengrube wurde schlimmer. Instinktiv wollte sie
zurückhasten und die Tür verrammeln, zwang sich aber,
ihre Ängste auszuschalten.
Wenn hier etwas nicht stimmte, flüsterte ihr eine innere
Stimme zu, konnte es nur mit Todd zu tun haben.
Sie ging die Stufen von der Veranda hinunter und trat
aus dem Lichtschein der Außenlampe.
Durch die Tür drang das Mondlicht matt in den Schuppen.
Teri musterte Melissa, die jetzt aus weitaufgerissenen
Augen auf die entstellte Leiche unter den Bodendielen
starrte. Sie hatte zu weinen aufgehört, ja, sie wirkte
sonderbar ruhig.
Mit einem Schlag begriff Teri. Es war dasselbe passiert
wie in jener Nacht, in der sie Melissa ans Bett gefesselt
vorgefunden hatte. Damals hatte sie mit genauso
ausdruckslosen Augen zur Decke gestarrt. Melissas
eigentliche Persönlichkeit hatte sich zurückgezogen, um
ihrer ›Freundin‹ Platz zu machen, nach der sie immer rief,
wenn sie mit der Welt um sich herum nicht mehr fertig
wurde.
Das lief ja wie geschmiert!
So leicht hatte sie es sich gar nicht vorgestellt.
Ein Licht schreckte sie auf – die Außenlampe an Coras
Veranda. Sofort knipste Teri die Taschenlampe aus und
verzog sich ins Hintere des Schuppens. Alsbald erblickte
sie eine Silhouette vor der hell erleuchteten Hauswand.
Cora, die um diese Zeit noch auf Todd wartete. Wenn sie
in ihre Richtung kam …
Aber sie hatte Glück. Cora schien es nicht auf den
Schuppen abgesehen zu haben. Sie lief um ihr Haus
herum.
»Wisch die Machete ab, Melissa«, flüsterte Teri, so laut
sie es wagen konnte.
Melissa blieb regungslos stehen, als hätte sie Teri nicht
gehört. Da fiel es Teri wieder ein.
»D’Arcy?« fragte sie. Melissas Kopf bewegte sich leicht,
und ihre seltsam ausdruckslosen Augen richteten sich auf
Teri. »Du bist doch gekommen, weil du Melissa helfen
willst, nicht wahr?«
Melissas Kopf neigte sich langsam.
»Dann mach doch die Machete sauber. Heb sie auf und
wisch das Blut von der Klinge.«
Unter ihren Blicken nahm Melissa die Machete
gehorsam in die Hand und wischte das Blut mit einem
halb verfaulten Lappen, der auf dem Boden gelegen hatte,
ab.
»So ist es recht«, flüsterte Teri. »Und jetzt wirfst du den
Lappen ins Loch.«
Wie geheißen, warf Melissa den Lappen auf Todds
Leiche. Ihre Bewegungen glichen denen eines Roboters.
»Und jetzt hilf mir bitte, die Dielen an Ort und Stelle zu
legen.«
Sie nahm eine Diele am Ende in die Hand und rückte sie
über der Leiche zurecht. Melissa imitierte schweigend ihre
Bewegungen am anderen Ende. Binnen weniger Sekunden
lagen sämtliche Dielen da, wo sie hingehörten.
Vom Loch war nichts mehr zu sehen, und die Machete
lehnte wieder wie zuvor an der Wand.
»Du mußt jetzt ins Haus zurückgehen, D’Arcy«, flüsterte
Teri. Sie spähte noch einmal zur erleuchteten Veranda
hinüber, doch von der alten Haushälterin war nichts zu
sehen. »Du mußt Melissa ins Bett bringen.« Ein
gehorsames Kopfnicken war die Antwort. Ansonsten gab
Melissa weiterhin kein Wort von sich. »Geh um den
Swimmingpool herum. Wenn du gesehen wirst, kommt
keiner drauf, wo du warst.«
Noch einmal leuchtete sie mit der Taschenlampe in die
Nacht. Da von Cora nichts zu sehen war, schob sie
Melissa sanft durch die Tür. Mit starr nach vorne
gerichteten Augen schlurfte Melissa durch die Dunkelheit
auf den Swimmingpool zu.
Teri überprüfte vorsichtshalber noch einmal den
Schuppen. Dann huschte sie zur Garage, lief weiter im
Schatten der hohen Mauern und schlüpfte durch die
Loggiatür ins Haus. Hinter sich sperrte sie zu.
Ohne etwas gesehen zu
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