Teuflische Schwester
wandte Teri sich wieder dem Fernseher zu.
Über die ohnmächtige Wut der Haushälterin kicherte sie
noch eine Weile vor sich hin.
Melissa erwachte eine Stunde nach Mitternacht. Sie war
noch ganz benommen vom Beruhigungsmittel. Zunächst
wußte sie gar nicht, wo sie war, doch allmählich setzte die
Erinnerung ein.
Jeff Barnstables Beerdigung war ihr wie ein
Spießrutenlauf vorgekommen. Jeder hatte sie angeschaut.
Und als sie in den Sarg hineingeschaut und sein Gesicht
berührt hatte …
Selbst jetzt noch graute ihr. Unwillkürlich zog sie die
Decke ans Kinn. Jetzt war es ja vorbei, sagte sie sich. Sie
war zu Hause, in ihrem Bett, und ihre Mutter hatte sie
nicht festgebunden.
Nichts war geschehen.
Sie wälzte sich auf die andere Seite. Dabei spürte sie
etwas an den Füßen. Ganz kurz geriet sie in Panik. Hatte
ihre Mutter sie vielleicht doch ans Bett gefesselt?
Aber nein. Ihre Hände und Füße ließen sich ja bewegen.
Es war wohl nur das Bettlaken.
Sie versuchte sich freizustrampeln. Das Bettlaken flog
davon, aber irgend etwas war noch immer um ihre Füße
gewickelt.
Sie schaltete das Licht ein und setzte sich auf.
Ihre Füße steckten in diesem Kleid.
D’Arcys Kleid.
Das Kleid, das sie am Samstag angehabt hatte, als Jeff
Barnstable verunglückt war.
Und jetzt, am Tag seiner Beerdigung, lag es in ihrem
Bett, und war um ihre Füße gewickelt.
Und hatte lauter Flecken.
Blutrote Flecken.
Sie schnappte nach Luft. Ihr Herz hämmerte wild. Das
konnte nicht wahr sein. Sicher war es schon wieder ein
Alptraum. Was denn sonst?
Sie drückte die Augen zu. Vielleicht verschwand das
Kleid ja wieder. Sie machte die Augen wieder auf.
Es war noch immer um ihre Füße gewickelt. Die Flecken
schienen eher noch größer geworden zu sein.
Ein Wimmern drang aus ihrer Kehle. Sofort stopfte sie
sich die Faust in den Mund. Und dann ging die
Badezimmertür auf, und Teri kam im Morgenrock herein.
»Melissa?« fragte sie. »Ist alles in …« Sie verstummte jäh,
als ihr Blick auf das blutbefleckte Kleid fiel. »Oh,
Melissa«, flüsterte sie. »Was hast du nur getan?«
Melissas Augen weiteten sich. So weit es ging, wich sie
an die Wand zurück. Jetzt endlich gelang es ihr, sich
freizustrampeln. »N-nichts«, stammelte sie. Ihr Ton gab
ihre ganze Verzweiflung wieder. »Ich bin gerade
aufgewacht und habe etwas Seltsames gespürt und …« Sie
flehte ihre Halbschwester geradezu mit den Blicken an.
»Teri, was soll das Ding hier?«
Teri ging zum Bett hinüber, nahm das Kleid fast
ehrfürchtig in die Hand und wandte sich wieder Melissa
zu.
»Kannst du dich nicht erinnern?« fragte sie.
»Er-erinnern? Woran?«
Teri schloß für einen Moment die Augen. Traurig
schüttelte sie dazu den Kopf. »O Gott«, flüsterte sie.
»Ich dachte, du wärest wach gewesen, aber du warst es
gar nicht, oder?«
Entsetzen schnürte Melissa die Kehle zu. Sie war doch
nicht schon wieder schlafgewandelt. Es war vollkommen
ausgeschlossen, oder? »Wovon redest du?« wimmerte sie.
»Ich habe geschlafen!«
Teri warf das Kleid zu Boden, setzte sich auf die
Bettkante und nahm Melissas Hände in die ihren. »Du bist
rausgegangen«, sagte sie. Plötzlich nahm ihre Stimme
einen eindringlichen, flehenden Ton an. »Du erinnerst
dich doch? Du mußt dich erinnern!«
Melissa schüttelte den Kopf.
»Es war … ich weiß nicht … vor einer Stunde
vielleicht«, erklärte Teri. »Todd war draußen und hat nach
dir gerufen. Mich hat er auch geweckt. Ich habe ihm
gesagt, daß du schläfst, aber dann bist du zur Hintertür
rausgegangen.« Ihr Blick schoß zum Kleid hinunter.
»Erst dachte ich, du hättest deinen Morgenrock
angehabt, du weißt schon, den weißen. Aber … aber
dann…« Die Stimme schien ihr zu versagen. »Woher
kommt das Kleid da?« fragte sie. »Woher hast du es?«
Melissa fröstelte, obwohl die Nacht sehr warm war.
»Ich weiß es nicht!« heulte sie. »Ich dachte, es wäre
weg. Ich dachte, du hättest es in den Abfall gegeben.«
»Das habe ich auch«, log Teri. Ihr Blick begegnete dem
Melissas. »Ich habe es in die Mülltonne getan, und die
Müllabfuhr hat sie heute morgen geleert.«
Melissa schluckte. Wenn Teri es weggeworfen hatte,
dann … Ihr schwindelte. Das mußte ein Alptraum sein. Im
richtigen Leben konnte so etwas doch nicht passieren.
»Du bist mit Todd weggegangen«, fuhr Teri fort. »Ich
dachte, daß ihr vielleicht Blackie suchen wolltet.«
»Nein«, ächzte Melissa. Sie hielt sich die Ohren zu, als
könne sie
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