Teuflische Schwester
Dahlia.
Erst wollte Teri es im Knien abstecken; sie überlegte es
sich aber schnell anders, als die ersten Kristalle von ihrem
Kostüm fielen.
»Stell dich auf den Hocker«, befahl sie Melissa. »Ich
muß den Saum abstecken.«
Melissa zog das Kleid hoch und kletterte gehorsam auf
den Hocker vor dem Schminktisch. »Und wenn es sich
auflöst?«
»Keine Sorge. Ich nehme Sicherheitsnadeln. Und bei den
vielen Rüschen wird man sie nicht sehen. Du mußt nur
stillhalten.«
Sie schlug den Saum ein bißchen um und steckte ihn
säuberlich fest. Nach fünfzehn Minuten richtete sie sich
auf und trat zum Begutachten einen Schritt zurück. Dann
nahm sie noch ein paar Verbesserungen vor und befahl
Melissa, sich auf den Boden zu stellen.
Der Saum schwebte fast vollkommen gleichmäßig
wenige Zentimeter über dem Boden.
»Und jetzt der Rücken.« Teri schlug das Kleid hinten um
und steckte die Nadeln so flach in die Falten, daß sie kaum
zu erkennen waren. »Das dürfte reichen«, meinte sie zum
Schluß. »Schauen wir’s uns mal an.«
Zögernd wagte Melissa sich vor den Spiegel.
Das Kleid hatte jetzt die richtige Länge, aber das
Oberteil hing schlaff herunter, und die Ärmel waren
ebenfalls zu weit. »O Gott«, stöhnte sie. »Ich sehe gräßlich
aus, nicht wahr?«
»Laß mich nur machen«, kicherte Teri. »Jetzt stopfen
wir erst mal Strümpfe in deinen BH.«
Melissa starrte sie entsetzt an. »Aber …«
»Ja und? Was ist schon dabei? Ich meine, D’Arcy war
damals mindestens achtzehn, und du bist erst dreizehn.«
Teri zog zwei Paar Strümpfe aus der Schublade und
drückte sie Melissa in die Hand. »Mach schon. Probier’s
doch mal.«
Melissa kam sich etwas dumm vor. Trotzdem stopfte sie
die Strümpfe unter den BH. Dann wagte sie wieder einen
Blick in den Spiegel. Zu ihrer großen Überraschung wirkte
ihre Brust voller. Und selbst bei genauerer Inspektion
verdeckten die Rüschen die Socken vollständig.
Etwas war anders, nur konnte sie es sich noch nicht
genau erklären.
Sie kam sich verändert vor.
Sie grinste Teri verlegen an. »Hast du so etwas schon
mal gemacht? Ich meine …«
»Aber klar doch. Mit zwölf Jahren habe ich es zum
erstenmal probiert. Die Jungen waren alle von den Socken.
Jungen sind ja so dumm. Die merken nie was. Jetzt aber
weiter. Wir müssen dich noch schminken.«
Melissa setzte sich verwirrt vor den Spiegel. »W-was
hast du jetzt noch vor mit mir?« stotterte sie.
Teri lächelte sie an. »Ich mache dich schön. Du wirst
mindestens so schön sein wie D’Arcy.«
Zuallererst trug sie eine helle Grundierung auf, danach
die Farbe. Mit Melissas Wangenknochen gab sie sich
besondere Mühe. Sie schminkte sie etwas dunkler, so daß
sie etwas hervorstehend wirkten. Danach bearbeitete sie
die Augen. Mit einem Stift bemalte sie die Lider und die
Augenwinkel. Jetzt sahen die Augen viel größer aus, als
sie eigentlich waren.
Allmählich tauchte ein neues Gesicht im Spiegel auf. Es
war noch immer Melissas Gesicht, doch irgendwie hatte es
sich verwandelt. Die Züge waren nicht mehr dieselben.
Und auch innerlich nahm Melissa eine Verwandlung
wahr. In dem Maße, in dem ihr Gesicht sich veränderte,
spürte sie ein ganz neues Selbstbewußtsein in sich
wachsen. Und plötzlich begriff sie.
Ich bin nicht mehr ich, dachte sie. Ich verwandle mich in
eine andere … in eine Schönheit.
Während Teri arbeitete, wagte sie sich kaum zu rühren.
Die Zeit kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Schließlich trat
ihre Halbschwester einen Schritt zurück. »Geschafft. Na,
was sagst du?«
Melissa starrte atemlos ihr Bild im Spiegel an.
»Das … das ist ja komisch«, flüsterte sie andächtig.
»Ich meine, ich komme mir plötzlich wie eine andere
vor, gar nicht mehr wie ich selbst.«
»Das war ja auch meine Absicht«, erklärte Teri. »Das ist
ja der Sinn von Verkleidungen und von Schminke. Man ist
dann immer das, was man sein will. Ich meine …« Die
Türglocke unterbrach sie. Teri warf einen Blick auf die
Uhr. »O Gott, es ist ja schon nach acht! Sie sind da! Setz
schon mal die Perücke auf. Ich lass’ sie rein und kämm
dich dann noch.« Sie eilte hinaus.
Melissa tastete nach der Perücke, ohne den Blick vom
Bild im Spiegel zu wenden.
Dem Bild, das nicht sie war – und ihr doch vertraut war.
Langsam hielt sie die Perücke über den Kopf. Ein
seltsamer Gedanke ließ sie innehalten. Wenn sie die
Perücke aufgesetzt hatte, wenn sie erst ihr Haar bedeckte,
war die Verwandlung perfekt.
Die
Weitere Kostenlose Bücher