Teuflische Schwester
letzte Spur ihres alten Selbst war dann vollkommen
verschwunden. Dann war sie eine andere.
Aber wer?
D’Arcy?
Aber D’Arcy gab es doch nicht! D’Arcy existierte nur in
ihrer Fantasie. Sie hatte sie erfunden.
Sie holte tief Luft und setzte die Perücke auf. Das blonde
Haar fiel in langen Wellen über ihre Schultern, umrahmte
ihr Gesicht.
Eine Fremde blickte ihr aus dem Spiegel entgegen.
Aber es war eine Fremde mit vertrauten Zügen, eine
Fremde, die sie schon einmal gesehen hatte.
Sie fing an, die blonde Haarpracht zu bürsten.
Und mit jedem Bürstenstrich nahm die Person aus dem
Spiegel, die Person, die gar nicht sie war, in ihr Kraft und
Gestalt an …
Teri öffnete Brett Van Arsdale lächelnd die Tür. Er trug
ein rosafarbenes Matadorsgewand. Sie mußte grinsen.
»Wie hast du das gewußt? Hat dir jemand verraten, was
ich anziehen wollte?«
»Vielleicht war’s Gedankenübertragung.«
Zur Antwort rollte Teri mit den Augen. Dann bemerkte
sie, daß niemand mehr im Porsche saß. Ihr Grinsen
erstarb. »Wo ist Jeff?«
Einen kurzen Augenblick lang meinte sie so etwas wie
Schuldbewußtsein in Bretts Augen aufflackern zu sehen,
doch dann sagte er nur achselzuckend: »Ihm war plötzlich
so schlecht. Vorhin hat er mich angerufen. So gespuckt hat
er noch nie, hat er gesagt.«
Teris Augen verengten sich. »Das habt ihr sicher so
ausgemacht!«
Brett hielt in Unschuldsmanier beide Hände hoch.
»Hey! Was kann ich denn dafür, wenn Jeff plötzlich
krank wird? Ich meine, ich habe ihn gebeten, Melissa
anzurufen. So hatten wir’s doch ausgemacht. Ich überrede
ihn, mit Melissa zu tanzen, und dafür gehst du mit mir
zum Ball. Alles andere geht mich nichts mehr an. Oder
soll ich ihn vielleicht an den Haaren hinschleifen?«
Teri überlegte fieberhaft. Wie konnte sie Melissa jetzt
noch zum Ball bringen, wenn Jeff sie sitzenließ? Sie
konnte schon die Tränen über ihr dummes Gesicht kullern
sehen. Wahrscheinlich würde sie sich aufs Bett werfen
und einen Weinkrampf kriegen. Doch dann glaubte sie, die
Antwort gefunden zu haben.
Es würde genau wie in der Geschichte sein.
»Warte bitte eine Sekunde«, meinte sie grinsend, »ich
sag’ ihr nur, daß Jeff sie erst dort treffen kann. Sonst
kommt sie garantiert nicht mit.«
Brett fing an zu feixen. »Was wäre schon dabei, wenn
sie nicht käme? Es würde sowieso keinen stören.«
»Ach ja?« Teris Grinsen ging in ein wissendes Lächeln
über. »So wie sie heute aussieht, würde allen was
entgehen. Wart’s nur ab.«
Während sie die Treppe hinaufjagte, legte sie sich die
Ausrede schon in allen Details zurecht.
Doch Melissas Zimmer war leer.
Eilig schaute sie in alle Zimmer im ersten Stock. Da sie
sie nicht fand, suchte sie auf dem Speicher. Aber Melissa
schien vom Erdboden verschluckt zu sein. Schließlich
ging sie wieder nach unten, wo Brett vor der Tür wartete.
»Sie ist weg«, sagte sie. »Wahrscheinlich hat sie uns
gehört und ist davongerannt.«
»Davongerannt? Wohin sollte sie denn gehen?«
Erneut rollte Teri geheimnisvoll mit den Augen. »Wer
weiß? Aber du kennst Melissa ja. Wenn sie der Rappel
packt, rennt sie weg.«
»Das stimmt!« rief Brett. Mit einem breiten Grinsen
führte er Teri die Stufen hinunter zum Porsche. »Vielleicht
haben wir diesmal auch Glück, und sie kommt nicht
wieder.«
Teri gab keine Antwort. Als der Porsche über die
Auffahrt brauste, drehte sie sich noch einmal zum Haus
um.
Und wie damals, als sie Blackies Kadaver zum alten
Schuppen getragen hatte, war ihr, als hätte sie einen
Schatten an einer der Dachluken vorbeihuschen sehen.
Aber sie hatte oben doch nachgesehen und keine Spur
von Melissa entdeckt?
Oder?
19
Jeff Barnstable lag auf dem Rücken. Den Blick richtete er
zur Decke. Der Fernsehapparat auf seinem Tisch lief, aber
er achtete nicht darauf. Statt dessen konzentrierte er sich
auf die Rockmusik, die ihm aus seinem Walkman direkt in
die Ohren dröhnte. Sein rechter Fuß wippte im Takt mit.
Mit den Armen drosch er hin und wieder auf ein
imaginäres Schlagzeug ein.
Der Schlußakkord verhallte, das Band stoppte, und Jeff
griff nach einer anderen Kassette. Ein Blick auf die
Aufschrift, und er warf sie auf das Nachtkästchen. Er
stand auf und stellte sich ans Fenster. Draußen wurde es
allmählich dunkel. In der Ferne, an der Südspitze der
Bucht, glühten die Lichter des Cove Club. Einen kleinen
Stich versetzte es ihm doch, daß seine Freunde jetzt zu
Live-Musik tanzten.
Andererseits war ihm heute sofort
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