Teuflische Schwester
nach dem Aufwachen
beim bloßen Gedanken an einen Abend mit Melissa
Holloway speiübel geworden. Als er sich dann
entschlossen hatte, Kent Fieldings Anregung zu folgen
und eine Krankheit vorzutäuschen, hielt er es gar nicht
mehr für eine Lüge. Jetzt freilich, eine Stunde, nachdem er
Melissa hätte abholen sollen, fühlte er sich pudelwohl.
Eigentlich, überlegte er, könnte er sich rasch umziehen
und zum Ball gehen. Melissa brauchte er auch nicht mehr
abzuholen. So wie er sie kannte, lag sie sicher im Bett und
heulte sich die Augen aus. Selbst wenn er dort noch
klingelte, sie würde gewiß nicht mehr mitkommen wollen.
Er mußte grinsen bei der Vorstellung, wie er
verkleidet
und vielleicht sogar mit einem Strauß Blumen aus dem
Garten seiner Mutter vor ihrer Tür stand. Und sie würde
ihn aus roten, verquollenen Augen nur anstarren.
Wahrscheinlich würde sie ihm die Tür vor der Nase
zuknallen. Keiner könnte dann sagen, es hätte ihm an
gutem Willen gefehlt. Aber was wäre, wenn sie einfach
dasaß und auf ihn wartete? Dann müßte er doch noch in
den sauren Apfel beißen.
Das gedämpfte Stimmengewirr von der Party seiner
Eltern wurde plötzlich lauter. Er drehte sich um. Seine
Mutter war eingetreten und stand gegen den Türpfosten
gelehnt da. Ihr Gesicht verhieß nichts Gutes. So sah sie ihn
immer an, wenn er etwas ausgefressen hatte.
»Geht’s dir wieder besser?« fragte Paula Barnstable in
ganz normalem Tonfall, doch ihre Augen funkelten
zornig.
Jeff schlurfte zum Bett zurück. »Ich brauchte ein
bißchen frische Luft«, stammelte er und versuchte so
leidend wie möglich dreinzuschauen.
»Ich habe den Eindruck«, antwortete Paula langsam,
»daß du eher frische Manieren brauchst.«
Jeff ließ sich aufs Bett fallen. »Mir geht es wirklich nicht
so gut …«
Seine Mutter ließ ihn nicht ausreden. »Als du mir mit
deinem Unwohlsein kamst, hätte ich eigentlich sofort
Verdacht schöpfen müssen. Normalerweise läßt du ja
keine Party aus.« Jeff sah seine Mutter schweigend an. Sie
fuhr unbarmherzig fort: »Was glaubst du, was ich gedacht
habe, als Phyllis Holloway erzählt hat, wie nett sie es von
dir findet, daß du mit Melissa zur Club-Party gehen willst?
Da ist mir ein Licht aufgegangen.« Die letzten Worte
kamen wie ein Peitschenhieb. Jeff duckte sich ängstlich.
Jetzt herrschte dicke Luft.
»Aber mir war wirklich schlecht«, verteidigte er sich.
»Ich will nichts davon hören, Jeff. Ich will auch gar
nicht wissen, wie es zu dieser Einladung kam. Vor allem
will ich keine Entschuldigung hören. Ich will nur eins
wissen: Stimmt es, daß du Melissa gebeten hast, mit dir
heute abend auszugehen?«
»J-ja schon, aber …«
»Dann gehst du auch hin«, beschied Paula ihren Sohn.
»Ich habe keine Ahnung, aus welchem Grund du Melissa
eingeladen hast, aber eins kannst du dir hinter die Ohren
schreiben: Du hast sie eingeladen und gehst auch mit ihr
aus. Abgesehen davon, daß Melissa nichts fehlt, was sich
nicht beheben ließe, wenn sie nicht mehr unter der Knute
ihrer Mutter stünde, gibt es so etwas wie gute Manieren.«
Sie senkte die Stimme – ein untrügliches Zeichen für ihren
Ärger. »Es gibt kein Rendezvous mit dem Vorsatz, es
nicht einzuhalten, Jeff. Das ist nicht nur unhöflich, das ist
grausam. Egal, was du von Melissa oder ihrer Mutter
hältst, du hast kein Recht, grausam zu ihr zu sein.«
»Aber …«
»Kein Aber. Wenn ich früher Bescheid gewußt hätte,
hätte ich den Arzt geholt. Und wenn er eine Magenverstimmung festgestellt hätte, hätte ich Phyllis und
Melissa persönlich angerufen und die Sache erklärt. Aber
jetzt« – ihre Stimme wurde rasch leiser – »tut es mir leid
für dich, falls dir wirklich schlecht sein sollte. Weil du auf
der Stelle aufstehst, dich anziehst und Melissa abholst. Du
gehst mit ihr tanzen und weichst keine Sekunde von ihrer
Seite. Glaub mir, daß du ansonsten einen sehr einsamen
Sommer verleben wirst. Denn dann gibt es keine Partys
mehr, keine Tage im Club und kein Faulenzen am Strand.
Dann sitzt du hier in deinem Zimmer und hast Zeit,
darüber nachzudenken, was es bedeutet, wenn man sein
Wort bricht.« Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte
Paula Barnstable sich um und machte die Tür leise hinter
sich zu.
Jeff blieb wie gelähmt auf seinem Bett sitzen. Die Worte
seiner Mutter klangen ihm noch in den Ohren. Er hätte
sich doch denken können, daß sie ihm auf die Schliche
kommen würde. Mit einem Seufzer stand
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