Teuflische Stiche
sah auf die Uhr im Armaturenbrett. Noch eine gute halbe Stunde bis zur Besprechung am großen Tisch. Bei der nächsten Gelegenheit bog er in Richtung Friedhof ab.
Er hatte sich gerade zurückgelehnt und die Beine von sich gestreckt, als sein Handy vibrierte. Das Display zeigte die Nummer von Alois Weis.
»Moin Alois.«
»Grüß Gott!«
»Ist gut. Was hast du für mich?«
»Warum immer ich zuerst? Sag du, was anliegt.«
»Wir suchen den Freiherrn.«
»Das ist nichts Neues. Das macht ihr schon seit zwei Wochen.«
»Dreizehn Tage, um genau zu sein. Wir suchen ihn ab jetzt mit Haftbefehl. Die in Aachen verdächtigen ihn des Mordes an der Person, die unter seinem Namen, seinem richtigen Namen, beerdigt wurde.«
»Das ist eine Nachricht wert. Danke, Adi.«
»I glaub’s aber net.«
»Hör auf, die wunderbare Sprache Bayerns zu benutzen, solange du keinen Sprachkurs in Niederbayern gemacht hast. Die Angelegenheit ist zu ernst dafür.«
»Klaus Stelzig alias Freiherr Sibelius Balthasar von Eck ist aber kein Mörder. Ist das so korrekt ausgesprochen?«
»Warum nicht?«
»Er will Gutes tun. Sein ganzes Bestreben ist auf Heilung tödlich infizierter Menschen ausgerichtet. Er ist davon besessen, Leben zu retten, nicht zu vernichten.«
»Fanatiker gehen auch für eine in ihren Augen gute Sache über Leichen.«
»Genau darüber wollte ich gerade nachdenken. Du hast mich auf meiner Friedhofsbank erwischt. Sag mir einfach, was du hast.«
»Pauschler hat in Uganda medizinische Experimente an nicht ganz freiwilligen Probanden vornehmen lassen. Das ist gestern aufgeflogen. Die beteiligten Ärzte sind verhaftet worden. Zwei von ihnen besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Ich fahre jetzt zu ihm und konfrontiere ihn mit dieser Information.«
»Nein, lass das die Polizei machen. Wenn deine Nachricht echt ist, und davon kann ich doch bei dir ausgehen, dann ist Pauschler gefährlich wie ein angeschossener Keiler.«
»Danke für die waidgerechte Warnung. Pfiat di.«
»Darf ich, Alois?«
»Was?«
»Dich bayrisch verabschieden?«
»Leck mich.«
Weiß Pauschler, was der Freiherr macht? Und viel wichtiger, weiß der, was Pauschler vorhat? Das Handy noch in der Hand, wählte Konnert die Nummer von Alois Weis.
»Willst du dich mit mir verabreden, um meine Aufforderung in die Tat umsetzen?«
»Da ich dich wohl ohnehin nicht davon abhalten kann, zu Pauschler zu fahren, frag ihn doch mal, ob er eine Ahnung davon hat, was von Eck planen könnte. Und krieg doch bitte raus, ob er befürchtet, von Eck könnte über seine illegalen Experimente Bescheid wissen.«
»Jawoll, Herr Kommissar. An wen schicke ich die Honorarrechnung?«
»Pfiat di.«
***
Die Telefonaktion war wie erwartet ergebnislos verlaufen. Aber vielleicht war sie doch nicht völlig umsonst. Mit etwas Glück würden die Inhaber von Hotels und Gaststätten ihre Gäste jetzt mit besonderer Aufmerksamkeit betrachten und sich melden, sollte Stelzig auftauchen.
Am großen Tisch versammelten sich die Kommissare und einige ihrer Mitarbeiter. Die Staatsanwältin rückte sich am unteren Ende des Tisches einen Sessel zurecht und klappte ihren weißen Laptop auf. Wehmeyer kam gemeinsam mit Konnert, sie blieben am Kopfende stehen.
»Frau Staatsanwältin, Kolleginnen und Kollegen.« Schlagartig verstummte alles Getuschel. Diese Anrede kannten sie von ihrem Chef nicht. »Die Informationen, die ich Ihnen jetzt gebe, sind streng vertraulich zu behandeln.« Er berichtete seinem Team von dem Verdacht, Stelzig könne möglicherweise in seinem Seesack gefährliche Erreger mit sich herumtragen. »Frau Staatsanwältin, bitte unterrichten Sie uns über den Haftbefehl.«
Mit knappen, sachlichen Worten referierte sie die veränderte Lage und setzte sich wieder.
»Gibt es weitere, wichtige Ergebnisse?«, fragte Wehmeyer in die Runde.
Stephanie meldete sich. »Frau Doktor Landmann bittet um Entschuldigung. Als sie Spuren des Grünen Knollenblätterpilzes bei Renate Dreher gefunden habe, sei nicht weiter nach anderen Giftstoffen gesucht worden. Die medizinische Todesursache erschien allen Beteiligten eindeutig. Spätere Untersuchungen haben in ihrem Blut jedoch den gleichen Giftcocktail nachgewiesen, der sich auch in Stelzigs Blut befunden habe. Im Besonderen möchte sie sich beim Herrn Oberkommissar entschuldigen.«
Venskes Ohren liefen rosarot an. Er konnte es nicht verhindern. Aber wahrscheinlich bemerkten das nur er selbst und Stephanie, weil alle anderen zur
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