Teuflische Stiche
telefonierte. Hinter einem großen halbrunden Schreibtisch voller Bildschirme klatschten sich zwei Internetermittler ab. Eine ältere Verwaltungsangestellte setzte den Kaffeefilter auf eine Kanne, während an ihrer Seite der Kopierer frisch bedruckte Bögen ausspuckte.
Sie erwarten von mir Leitung und sachdienliche Anweisungen, wurde ihm bewusst, und kein kopfloses Herumrennen von Pontius zu Pilatus. Er wunderte sich über diese Einsicht und musste lächeln.
Sein Blatt füllte sich mit Bitten für die neue Kommissarin, für Babsis Schwangerschaft, für Stelzigs Genesung und … Er beschrieb auch die zweite Seite und kam mehr und mehr zur Ruhe.
Zurückgelehnt zündete er die Pfeife wieder an und las sich sein Gebet noch einmal durch. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass die beiden Internetermittler vor Venskes Schreibtisch standen und berichteten.
Mit seinen beschriebenen Blättern ging Konnert zum Aktenvernichter und warf sie hinein. Zurück kam er mit einem Becher frisch gebrühtem Kaffee, als ihm ein Gespräch von der Zentrale durchgestellt wurde.
» Konnert.«
» Enna Dreher, die Schwester von Karl Dreher. Man hat mir gesagt, Sie wären zuständig für die Ermittlungen. Man lässt mich nicht in seine Wohnung. Kann ich mich bei Ihnen darüber beschweren? Ich finde das unmöglich, dass man uns Hinterbliebene behandelt, als ginge uns das alles nichts an. Wir müssen doch die Beerdigung vorbereiten.« Die Frau redete unaufhaltsam weiter, und auf Konnert prasselten die Vorwürfe und Fragen ein wie ein Hagelschauer.
Unsicherheit machte sich in ihm breit. Musste er auch ihr erklären, dass er davon überzeugt war, am Tod ihres Bruders mitschuldig zu sein? Was würde das Geständnis bei ihr auslösen? Er entschied sich, zu schweigen und weiter zuzuhören.
» Wir müssen uns doch auch mit den Angehörigen seiner Frau absprechen. Sie sollen auf jeden Fall gemeinsam beerdigt werden. Kann ich meinen Bruder sehen?«
Die minimale Pause im Wortschwall nutzte Konnert: »Ihr Bruder ist noch nicht freigegeben. Er ist im Institut für Rechtsmedizin. Erst muss …«
» Mein Bruder wird nicht aufgeschnitten. Das verbiete ich Ihnen. Was fällt Ihnen ein, ihn aufmachen zu lassen. Ohne uns zu fragen! Ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren. Wir setzen uns sofort ins Auto und kommen nach Oldenburg!«
Konnert hörte ein Schaben und vermutete, dass die Frau eine Hand über den Hörer gelegt hatte. Er nutzte die Chance zu antworten: »Hören Sie, das liegt nicht in meinem Ermessen. Es ist so vorgeschrieben …« Die Leitung war tot.
» Merde!«
Sekunden später klingelte sein Telefon wieder. Alois Weis war dran. »Ist es richtig, dass du von Eck gefunden hast? Man erzählt sich, er sei im Evangelischen Krankenhaus auf der Intensivstation.«
» Wenn du es schon weißt, warum rufst du dann noch an?«
» Es stimmt also.«
Konnert sagte dazu nichts.
» Es soll Karl Dreher gewesen sein, der seine Frau vergiftet hat. Ist der Fall damit erledigt?«
» Was du alles so mitbekommst.«
Diesmal schwieg Alois Weis.
» Wir planen eine Pressekonferenz für siebzehn Uhr. Pfiat di.« Ehe der Journalist antworten konnte, hatte Konnert schon aufgelegt. Er wollte endlich arbeiten und etwas zu den Ermittlungsergebnissen beitragen.
Kurze Zeit später verabschiedete er sich, um den Freiherrn zu befragen.
Als hätte er darauf gewartet, dass Konnert die Polizeidirektion verließ, griff Venske zum Telefon und rief das Institut für Rechtsmedizin an. Ein Assistent meldete sich: »Frau Doktor Landmann ist nicht im Haus.«
» Das macht nichts. Es geht um das Gutachten Renate Dreher. Bei uns sind Fragen zum Befund der Vergiftung mit Grünem Knollenblätterpilz aufgetaucht. Sind Sie sicher, dass es sich nur und ausschließlich um diesen Pilz handeln kann? Eine andere Substanz kommt nicht infrage? Eventuell ein Medikament, verschiedene Pflanzen, ein Extrakt aus was weiß ich? Sie sind doch die Fachleute. Würden Sie das bitte noch einmal in Ihrem Institut überprüfen? Ich bitte darum, dass es umgehend geschieht.« Bitte mit besonderer Betonung zu sagen, wendete er gern in solchen Situationen an.
» Darüber entscheidet die Institutsleiterin. Ich werde es ihr mitteilen.«
» Vielen Dank und auf Wiederhören.«
Mit einem leichten Faustschlag auf die Schreibunterlage zeigte Venske seine Zufriedenheit. Wenn Konnert nicht in die Gänge kam, dann musste er die Dinge in die Hand nehmen. Er war immerhin der stellvertretende
Weitere Kostenlose Bücher