Teuflischer Sog
weiter einen überdachten Hauseingang, in dem sie vor dem Regen geschützt waren. Die Straße wirkte so still, dass sie jeden sich nähernden Streifenwagen bemerken würden, lange bevor man sie sah. Juan rief Linc über den taktischen Kurzwellenfunk. »Wir sind bereit. Wie sieht es bei euch aus?«
»Mark ist draußen und hat bereits einen Wagen kurzgeschlossen«, meldete Lincoln. »Ich habe gefunden, was wir brauchen, und warte auf deine Nachricht.«
»Fahrt los. Wie lange braucht ihr bis hierher?«
»Solange die Hafencops keinen Ärger machen und wir nicht angehalten werden, sollten wir in einer Stunde dort sein.«
»Dann bis nachher.« Juan wechselte die Frequenz. »Mike, wie ist es da draußen?«
»Ich unterhalte mich mit den Fischen.«
»Wechsle zu Wegpunkt Beta.« Sämtliche Positionen waren lange im Voraus festgelegt worden.
»Schon unterwegs.« Mike Tronos Stimme stockte ein wenig. Er wusste, dass der Chef ein ungutes Gefühl hatte.
»Warum soll das U-Boot die Position ändern?«, fragte Linda.
»Mir kam in den Sinn, dass bei diesem Wetter eine Menge Polizei unterwegs sein wird, für die es kaum etwas zu tun gibt. Sobald der Alarm ausgelöst wird, dürfte jeder Cop in BA hinter uns her sein.«
Plötzlich übertrug sich Juans ungutes Gefühl auch auf Linda.
Sie umrundeten den Block und wagten sich nur dann aus ihrer jeweiligen Deckung, wenn sie ganz sicher sein konnten, dass niemand sie beobachtete. Einmal mussten sie sich hinter Müllcontainern in der Nähe einer Baustelle verstecken, als ein Streifenwagen vorbeirollte. Der Fahrer schenkte den Bürgersteigen keinerlei Beachtung, sondern konzentrierte sich ausschließlich darauf, den Wagen sicher durch den Wolkenbruch zu lenken. Ein bemitleidenswerter Mann, der einen kleinen Hund an der Leine führte, war der einzige Mensch, der ihnen begegnete. Aber dann gingen sie grußlos aneinander vorbei. Das Wetter war einfach zu miserabel, um Höflichkeiten auszutauschen.
Juan aktivierte das Bluetooth-Set in seinem Ohr. »Lass hören, Linc.«
»Ich kann dir sagen, dass hier alles glattläuft. Hab mich problemlos an den Wachen vorbeigeschwindelt, auch wenn mein Spanisch ein wenig eingerostet ist und ich so argentinisch aussehe wie ein Rhinozeros. Man braucht den Leuten nur zu sagen, dass man etwas für die Neunte Brigade abholt, und schon werden keine Fragen mehr gestellt.«
»Das ist das Schöne an einem Polizeistaat. Niemand wagt es, den Kopf zu erheben. Sie haben nämlich gelernt, dass er einem ganz schnell abgeschlagen werden kann.«
»Mark ist knapp vor mir, und wir sind in eurer Nähe.«
»Wir warten auf euch.«
Eine Viertelstunde später bog ein seltsamer Konvoi um eine ferne Straßenecke und näherte sich. Mark bildete die Vorhut und lenkte eine unauffällige kleinere Limousine. Orangefarbene Warnblinker auf dem Dach pulsierten rhythmisch, als wollten sie auf das nachfolgende Fahrzeug aufmerksam machen. Was ja auch ihr Sinn war. Linc saß am Lenkrad eines Fahrkrans, der das Emblem der Hafenverwaltung von Buenos Aires trug. Das Vehikel hatte keine Karosserie, sondern einen panzerähnlichen Turm auf einem für Schwerlasten konstruierten Chassis. Die Räder waren doppelt so groß wie gewöhnliche Autoräder. Der Ausleger war auf kürzeste Länge zusammengeklappt, ragte aber dennoch wie ein Rammbock über das Fahrwerk des Krans hinaus.
Sie müssten sich beeilen, denn ein großer Kran in einer eleganten Wohngegend würde ganz sicher auffallen. Juan zog den Mantel und die Anzugjacke aus und riss sich das weiße Oxford-Hemd vom Leibe. Die Krawatte flog in den Rinnstein. Es war ja lediglich eine Verkleidung. Darunter trug er ein schwarzes langärmeliges T-Shirt und zwei leere Schulterhalfter. Dann streifte er sich enge schwarze Handschuhe über.
Linda war schon an der Tür der Limousine, ehe Mark ganz zum Stehen gekommen war. Sie schaltete die beiden batteriegespeisten Warnlichter aus und pflückte sie vom Wagendach. Die Saugnäpfe, die sie dort fixiert hatten, lösten sich mit einem obszönen Schmatzen. Murph rannte zusammen mit dem Chef zum Kran. Während Mark aufs Führerhaus zusteuerte, sprang Juan zu dem Kranhaken hoch, der am Ausleger hin und her schwang, und kletterte daran hinauf.
Linc erwartete ihn bereits. Er reichte ihm sowohl eine MP-5 als auch ein paar Fabrique Nationale Five-SeveN Automatiks, Cabrillos Lieblingswaffe, weil die kleinen 5,7-Millimeter-Projektile auf kurze Distanz nahezu jeden Körperpanzer durchschlugen. Der extralange
Weitere Kostenlose Bücher