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Texas

Texas

Titel: Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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schwimmen!«
    »Schon richtig«, gab Coke zu, »wir haben die Brücke, aber die haben ihren verdammten Wahlkreis siebenunddreißig!« Im Herzland von Saldana County hielten sich die schlauen Demokraten einen ländlichen Wahlkreis, der bis vier oder fünf Uhr früh zu warten pflegte, bevor er sein Wahlergebnis bekanntgab. Zu dieser Stunde wußten die Parteifunktionäre bereits, wie viele Stimmen sie aus dem Wahlkreis siebenunddreißig brauchten, um zu gewinnen, und so erging dann der Befehl: »Elizondo, du mußt uns Zahlen liefern, die uns einen Vorsprung von dreihundertdrei Stimmen geben.« Eine halbe Stunde später meldete Elizondo dann: »Demokraten dreihundertdreiundvierzig, Republikaner vierzehn.« Man empörte sich, man sprach von Wahlschwindel und drohte mit Anzeigen bei irgendwelchen Bundesbehörden, aber Elizondo hatte stets die gleiche Antwort parat: »Wir haben uns ein wenig verspätet, aber hier oben wählen wir nun mal immer blau.«
    Am Rio Grande, wo viele Wähler kein Englisch verstanden, war es Brauch, die zwei großen Parteien mit Farben zu identifizieren, in jedem County andere. In Saldana waren die Republikaner immer schon die Roten und die Demokraten die Blauen gewesen.
    Die Demokraten, denen die Vorteile der Aufsicht über die Zollbehörde versagt blieben, mußten sich ganz besonders anstrengen und hatten schon vor Jahren ihr Schicksal in die Hände eines der tüchtigsten politischen Führer gelegt, die Texas bisher hervorgebracht hatte.
    Wer den Anglo Vigil Horace neben Tim Coke stehen sah, war versucht zu denken: Was für ein unfairer Wettstreit! Der große Ire mit seiner offenen, gewinnenden Art schien alles um ihn herum zu beherrschen, während Vigil, zwölf Jahre älter und schon ein wenig gebeugt, ein zurückhaltender Mann war, der jedes Aufsehen zu vermeiden suchte. Er sprach mit fast flüsternder Stimme. Für die Frauen war er »der liebe Señor Vigil«.
    In der Öffentlichkeit machte er den Eindruck eines schon etwas tattrigen, gutmütigen Opas; privat aber, im Kreis seiner spanischsprechenden Untergebenen, konnte er seine Anordnungen mit einer Stimme herausschnarren, die jeden Widerspruch erstickte. Bei der Durchsetzung seiner persönlichen Interessen, aber auch bei der Wahrung der Belange der Demokratischen Partei konnte er skrupellos sein, und manch einer warnte: »Mischt euch nicht in sein Biergeschäft, und fragt nicht, wie er zu seinen demokratischen Mehrheiten kommt!«
    Viele Jahre lang hatte er mit Bauholz und Eis gute Gewinne erzielt. Dann war er an den lukrativen Großhandel mit Bier geraten, so daß er jetzt kontrollierte, wie die Leute ihre Häuser bauten, wie sie im Sommer Kühlung erlangten und wie sie sich erfrischten, wenn die teuflisch heißen Tage am Rio Grande in die teuflisch heißen Nächte übergingen.
    Horace Vigil war ein amerikanischer Patron. Er entschied, wer Richter werden und welche Urteile der Richter sprechen würde, sobald er sein Amt angetreten hatte. Er nahm keine Steuern ein, aber er gab sie mit vollen Händen aus - selten für sich selbst, aber mit nie erlahmender Großzügigkeit unter seinen mexikanischen Anhängern; er war es, der bestimmte, welche Tochter welcher Freunde als Lehrerin in einer öffentlichen Schule eingestellt wurde; zu ihm kamen die Leute, wenn sie Geld für eine Hochzeit oder für ein Begräbnis brauchten. Dafür verlangte Vigil nur zwei Dinge: »Wählt blau und kauft mein Bier!«
    Bei der Wahl von 1908 kam es schließlich zu der entscheidenden Kraftprobe zwischen Coke und Vigil. Schon vor dem Wahlgang hatte der Zollbeamte Coke so viele mexikanische Staatsbürger in Lagern am Nordufer des Flusses untergebracht, daß Vigil unruhig wurde. Schon zweimal hatte der Ire ihm am Ende des vorigen Jahrhunderts mit dieser Methode den Sieg gestohlen, und solange Teddy Roosevelt noch im Weißen Haus saß, konnte Coke mit tatkräftiger Unterstützung seitens der Bundesgerichte rechnen.
    Am Morgen des Freitags vor der Wahl erhielt Vigil beunruhigende Nachrichten: »Señor Vigil, Señor Coke bringt weitere hundertfünfzig Rote aus Mexiko!« Etwa die Hälfte dieser Männer hatte schon bei früheren Wahlen ihre Stimme abgegeben und dafür einen Dollar und zwei reichliche Mahlzeiten erhalten, aber die andere Hälfte war noch nie in Texas gewesen. Wie schon die früher von den Demokraten ins Land gebrachten Mexikaner wurden auch diese in zwei von Adobemauern umgebenen Lagern untergebracht; dort vertrieben sie sich die Zeit, bis die Leute vom Zoll kamen,

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