Thanatos
Sicherheitsmaßnahmen. Der oberirdische Teil war als Gemeinschaftsraum eingerichtet, mit Möbeln, diversen Geräten, einem halben Dutzend Videospielen und einem Billardtisch. Aber eine Treppe führte zu den Schlafräumen tief unter der Erde, wo ein Tunnel darüber hinaus noch einen Fluchtweg bot.
Thanatos hatte ihn versiegeln lassen, nachdem Dariq Regan vergiftet hatte. Er würde kein Risiko mehr eingehen.
Er stieg in die düsteren Tiefen hinab, und als er am Fuß angekommen war, standen alle zwölf Nachtwandler um ihren riesigen Tisch herum versammelt. Einige blinzelten müde, nachdem sie durch seine Ankunft aus dem Schlaf gerissen worden waren, andere beobachteten ihn argwöhnisch mit wachen Augen.
»Ich komme gleich zum Thema«, sagte er. »Was wisst ihr über die Verschwörung gegen mich?«
Sie wechselten Blicke, bis Peter schließlich den Kopf schüttelte. »Wir wissen gar nichts, Sire. Die Tagwandler verachten uns. Sie würden uns sicher nichts über ihre mörderischen Pläne mitteilen.«
Das hatte Thanatos bereits vermutet. In Wahrheit erwartete er auch gar nicht, einen Nachtwandler zu entdecken, der mit den Tagwandlern kollaborierte, und das nicht nur, weil sie einander hassten. Vielmehr deswegen, weil kein Vampir der Nacht die Tagwandler in Pestilences postapokalyptischer Welt an der Macht sehen wollte.
»Sire.« Roland trat vor. »Wir sind hier, weil wir es wollen. Selbst wenn Ihr uns nicht verboten hättet, unsere Quartiere zu verlassen, wären wir freiwillig hier geblieben, bis alles vorbei ist. Wir wollen nicht, dass Ihr irgendeinen Grund habt, uns zu verdächtigen, sollte noch etwas passieren.«
Peter nickte. »Aber wir würden uns geehrt fühlen, dürften wir Regan beschützen.« Mit einer einzigen koordinierten Bewegung sanken alle Vampire auf ein Knie, die Fäuste ans Herz gelegt. »Wir sind Euer. Ihr könnt mit uns verfahren, wie Ihr wollt.«
Der ganze Schmerz, den die abtrünnigen Tagwandler ihm bereitet hatten, wich angesichts der Zurschaustellung ihrer Loyalität und Unterwerfung. »Ich danke euch und fühle mich geehrt.« Er räusperte sich. »Ich werde den Fluchttunnel wieder öffnen lassen, aber ich kann euch nach wie vor nicht in die Festung lassen. Ich glaube nicht, dass jemand von euch an dem Anschlag auf das Leben meines Sohns beteiligt ist, aber Regan erkennt den Unterschied zwischen euch und den Tagwandlern nicht immer. Ach, zur Hölle, meistens können euch nicht mal Limos und Ares auseinanderhalten. Ich kann nicht riskieren, dass sich jemand als Nachtwandler ausgibt und so in die Festung schlüpft.«
»Wir können warten.« Roland blickte durch seinen strubbeligen roten Haarschopf, der ihm ständig in die Augen fiel, zu Than hinauf. »Aber wenn Ihr uns braucht – wir sind hier.«
Thanatos machte, dass er fortkam, ehe er sie noch zu einer Gruppenumarmung der Waschlappen aufforderte, und wappnete sich für die wirkliche Konfrontation. Mitten im Hof blieb er im Sonnenlicht stehen und rief die Tagwandler herbei. Sie kamen aus ihren Gebäuden, im Licht der Morgensonne blinzelnd.
»Ich hatte eine wirklich interessante Begegnung mit euren Brüdern in Frankreich«, sagte Than.
Das brachte alle dazu, stehen zu bleiben.
»Wer weiß, wovon ich rede? Niemand? Das hatte ich mir schon gedacht. Also, so sieht’s aus. Ich habe nicht die Zeit, euch alle zu foltern. Aber ich habe genug Zeit, euch allen ein neues Tattoo zu verpassen. Klingt doch gut, oder? Wer steht nicht auf ein bisschen frische Tinte?«
»
Bludrexe
?« Owain, ein stämmiger blonder Vampir, der sichtlich hinkte, trat vor. Er zog den Kragen seines Hemds nach unten, um das Schweigetattoo zu zeigen. »Wir haben schon welche.«
»Stimmt. Aber das wird etwas ganz anderes. Erinnert ihr euch noch an Orelia, die Silas-Dämonin, die euch euer erstes Tattoo machte? Sie wird jedem von euch ein neues machen, das direkt aus euren Gedanken stammt.« Thanatos grinste und ließ seine Fänge ausfahren. »Also, wenn ihr mich nicht hintergangen habt, habt ihr nichts zu befürchten. Aber wenn doch … lasst es mich so ausdrücken: Dann könnt ihr schon mal damit anfangen, euch in die Hosen zu machen.«
Er zeigte mit dem Daumen auf Viktor. »Komm mit, Kumpel. Du zuerst.« Als Viktor auf ihn zutrat, wurde Thanatos’ gute Laune ein wenig gedämpft, denn in Wahrheit liebte er seine Vampire, und es würde ihm beinahe genauso wehtun, die Verräter zu töten, wie es ihnen selbst wehtun würde.
Beinahe.
Als Regan aufwachte, war sie allein. Na
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