Thanatos
tun, an ihr, bis sie sich wie ein Gummi fühlte, das kurz davorstand zu zerreißen.
Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Sie öffnete die Tür … und riss die Augen auf.
Vor ihr stand ein Engel. Ein perfektes männliches Exemplar, dessen schimmerndes goldenes Haar in makellosen Wellen über seine breiten Schultern fiel, mit durchdringenden, saphirblauen Augen, aus denen ein scharfer Intellekt leuchtete. Er war überwältigend.
Schon seit Jahren hatte sie immer wieder Geschichten über den berühmt-berüchtigten Reaver gehört, hatte ihn und einen anderen Engel namens Gethel sogar einmal vor ein paar Jahren in Ägypten zu Gesicht bekommen. Damals war er ein gefallener Engel gewesen, aber dann war er vor ihren Augen erlöst worden. Und zwar nach einer Schlacht von beinahe apokalyptischen Ausmaßen, in der ein anderer gefallener Engel um ein Haar den bösen Mächten der Hölle die Tore des Himmels geöffnet hätte.
Er lächelte. Und sie hätte schwören können, dass er … irgendwie leuchtete.
»Hallo Regan.« Reaver betrat das Zimmer, und sie fragte sich sofort, ob Thanatos auch einen Anfall bekommen würde, weil sie mit diesem Mann allein im Schlafzimmer war. »Wie geht es dir?«
Stimme. Sie musste ihre Stimme wiederfinden. »Äh …« Sie räusperte sich. Schließlich unterhielt man sich nicht jeden Tag mit einem Engel, der eine offensichtlich kostspielige Anzughose und ein Seidenhemd trug, das zu seinen Augen passte. »Gut.«
Gut?
Tolle Antwort.
»Und dem Baby?«
Ihre Hand legte sich automatisch auf ihren Bauch. »Hungrig.«
Reaver legte den Kopf zur Seite und betrachtete ihren Bauch. »Er wird nicht zulassen, dass ich dich berühre.«
»Das Baby scheint einen etwas übertriebenen Beschützerinstinkt zu haben.«
Reavers Edelsteinaugen blickten sie an. »Nicht das Baby. Thanatos.«
»Ich – was?«
»Nicht, dass ich dich berühren wollte. Ich meine nur. Er ist genauso fürsorglich wie das Baby, was dich betrifft.«
Wieder stand sie mit offenem Mund da, aber sie schloss ihn rasch wieder und schüttelte den Kopf. »Thanatos hasst mich.«
»Das mag er sich einreden, und vielleicht glaubt er es sogar«, sagte Reaver. »Aber es ist nicht wahr.«
Sie seufzte. »Für einen Engel bist du irgendwie … ähm …«
»Naiv?« Sein Lächeln wurde noch breiter. »Vertrau mir, ich habe genug Zeit mit Dämonen verbracht, um nie wieder naiv zu sein, ganz gleich, worum es sich handelt.«
Konnte Reaver recht haben, was Thanatos betraf? Wenn er mal nicht gerade auf sie wütend war, gab es in der Tat immer wieder Momente der … na ja, sie würde beinahe sagen, Momente der Zärtlichkeit. Zärtlichkeit, die immer wieder ihre Abwehrmechanismen unterwanderte, wenn sie sie nicht nur hätte aufrechterhalten, sondern noch verstärken sollen. Aber was, wenn Reaver recht hatte? Könnte er je über das hinwegkommen, was sie ihm angetan hatte? Könnte
sie
das?
Die Antwort auf diese Fragen fand sich schnell. Der Schmerz, den sie verursacht hatte, war eine monumentale Hürde, die sie wohl niemals würden überwinden können. Ganz gleich, wie umfangreich seine Rache an ihr auch ausfallen mochte, könnte sie doch niemals ihre Schuld mindern oder seine Wunden heilen.
Nein, Reaver hatte unrecht, was Thanatos betraf. Sie sah ihm geradewegs in die Augen, geistig viel zu erschöpft von den Ereignissen des Tages, um lange um den heißen Brei herumzureden, ganz gleich, weswegen der Engel auch gekommen war. »Vergib mir, Reaver, aber warum bist du hier?«
»Du kommst gleich zur Sache. Das gefällt mir.« Seine Stimme war sanft, aber bestimmt. »Ich bin hier, weil ich den Reitern im Grunde bei nichts helfen kann, was eine Beziehung zur Apokalypse hat. Aber bei anderen Dingen kann ich helfen.«
»Anderen Dingen?«
»Beziehungen.«
Sie stieß ein bellendes Lachen aus. »Thanatos und ich haben keine Beziehung.«
»Ihr werdet bald Eltern. Eine intimere Beziehung existiert wohl nicht.«
Vielleicht bei normalen Leuten. Aber an Thanatos war nichts normal, genauso wenig wie bei der Zeugung dieses Kinds. »Das Baby gehört Kynan und Gem. Hat dir das denn niemand gesagt?«
»Ich weiß, was geplant war«, begann Reaver. »Und Kynan und Gem wären eurem Sohn wunderbare Eltern. Aber Thanatos und du zusammen wärt noch sehr viel bessere.«
Regan wäre fast erstickt. »Wir würden uns gegenseitig an die Kehle gehen.« Außerdem wusste sie nichts darüber, eine Mutter zu sein, und das Baby hatte Besseres verdient. Und was würde passieren,
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