Thanatos
Tagwandler war nach seiner Wandlung kaum erwacht und dem Tode nahe gewesen, als Than ihn vor die Wahl gestellt hatte: Entweder würde er ihm dienen oder sterben.
Dariq hatte den Tod gewählt.
Doch statt Dariq umzubringen, hatte Than Mitleid mit dem Vampirfrischling gehabt und ihn in seine Festung mitgenommen, damit die anderen Tagwandler ihn lehren konnten, wie er von nun an leben würde.
Offensichtlich war dieser seltene Moment des Mitgefühls ein Fehler gewesen. Wollte dieses Arschloch es Thanatos heimzahlen, dass er ihn am Leben gelassen hatte, oder ging es dabei tatsächlich darum, Thanatos’ Sohn zu töten und die Apokalypse auszulösen?
Es war an der Zeit, dieser Sache auf den Grund zu gehen.
»Kann ich irgendetwas tun?«, fragte Regan mit solcher Ernsthaftigkeit, dass er den plötzlichen Drang verspürte, sie in die Arme zu nehmen und ihr zu danken.
Er war ja so was von daneben. »Sieh zu, dass dir nichts passiert«, erwiderte er barsch.
»Ich wäre sicherer, wenn noch andere Wächter bei mir wären.«
»Die wirst du nicht brauchen. Ich sorge für zusätzlichen Schutz. Darum ist Ares hier.«
Sie seufzte. »Es geht nicht nur um Schutz, sondern auch darum, ein freundliches Gesicht um mich zu haben. Jemand, der auf meiner Seite ist.«
Als ob er der Feind wäre. »
Ich bin
auf deiner Seite.«
»Nein«, sagte sie leise. »Du bist auf der Seite des Babys. Ich hätte gern … du weißt schon … einen Freund.« Bei den letzten Worten brach ihre Stimme, und sogleich hatte er Deckers Bild vor sich.
Das Skorpiontattoo auf seinem Hals regte sich und stach wie wild auf ihn ein. »Und wen?«
Ihr Mund öffnete sich, aber es drang nichts heraus, als ob sie die Antwort auf seine Frage nicht wüsste. Viel zu spät fiel ihm ein, was sie beim Abendessen gesagt hatte: dass sie immer beschäftigt sei und keine Zeit für anderes hatte. Oh, und dass ihre Kollegen sie Dämonenscheiße nannten. Ihre Reaktion bestätigte seinen Verdacht, dass sie keine Freunde besaß.
Wie es aussah, waren sie beide Außenseiter.
Schließlich murmelte sie: »Es ist nicht so wichtig.«
Ares donnerte erneut gegen die Tür. »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Manche von uns müssen sich schließlich noch um die Apokalypse kümmern.«
Than zögerte. Er fühlte sich seltsam hin- und hergerissen. Einerseits wollte er, dass sich Regan besser fühlte – wenn er auch nicht wusste, wie er das anstellen sollte –, andererseits sollte er wohl besser zusehen, dass er wegkam, ehe er noch mehr Schaden anrichtete. »Regan –«
»Geh nur«, sagte sie. »Ich muss sowieso noch Kynan anrufen. Und ich habe auch noch genug in deiner Bibliothek zu tun.«
Than fühlte sich, als ob sie ihn entlassen hätte – darin war sie wirklich gut. Also öffnete er die Tür, vor der Ares in Gesellschaft von zwei Höllenhunden stand, deren Klauen sich in den Steinboden gruben.
Ares verschwendete keine Zeit und nahm auch kein Blatt vor den Mund. »Weißt du, wie viele von deinen Vampiren beteiligt waren?«
»Nein, aber ich werde es gleich herausfinden.« Than zog sein Handy aus der Tasche und tippte eine SMS an Kynan, während er sprach. »Ich habe Dariq in den Kerker geworfen, bis ich Zeit habe, ihn zu befragen. Die anderen haben Anweisung, auf ihren Zimmern zu bleiben, bis ich der Sache auf den Grund gegangen bin.« Er
würde
dieser Sache auf den Grund gehen, und wenn er jeden in die Folterkammer schicken musste. »Sag mir, dass du hier bist, um ein Augen auf Regan zu haben.«
Ares nickte. »Limos und ich können uns abwechseln, aber ich habe extra noch einen Hund mitgebracht, für den Fall, dass wir beide verhindert sind.«
Thanatos beäugte die beiden Bestien. Ares mochte ja inzwischen der Meinung sein, dass sie fantastische Haustiere abgaben, aber Than war davon noch längst nicht überzeugt. Sie schienen eine Menge Unglücksfälle zu verursachen, und die waren nicht von der Art
Upps, Bello hat auf den Boden gepinkelt
. Bei Höllenhunden ging es eher um Unfälle wie
Ups, Bello hat den Nachbarn gefressen
.
»Sie hassten Pestilence«, erinnerte Ares ihn. »Die Höllenhunde werden gegen alles kämpfen, was Pestilence will.«
»Und Pestilence will den Tod von Regan und meinem Sohn.« Than nickte entschlossen. »Gut. Die Köter können bleiben.«
Ares wies Höllenbestie eins an, an der Schlafzimmertür Stellung zu beziehen, und Höllenbestie zwei schloss sich ihnen an, als sie sich auf den Weg zum Kerker machten.
Der Geruch von Blut traf Thanatos schon auf
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