THARKARÚN – Krieger der Nacht
Gemüter. Dennoch konnte Prinzessin Adilean, die an ihrem Platz unter der Pergola des königlichen Palastes die angenehme Kühle genießen und sich entspannen wollte, diese allgemeine Ruhe nicht teilen. Alyssa, ihre Gesellschafterin, war bei ihr und versuchte mit höchst unterschiedlichem Erfolg, auf den Saiten ihrer Harfe eine Ballade anzustimmen.
Adilean hörte ihr zerstreut mit halb geschlossenen Augen zu. Ihre mahagonibraunen Haare hingen ihr zerzaust über ihre Schultern und betonten gerade dadurch die außerordentliche Schönheit ihres Gesichtes. Sie trug nur ein schlichtes, weit geschnittenes weißes Kleid und ihr schmaler, nackter Fuß hing über den Rand der Bank.
Ihre Gedanken schweiften in die Ferne, zu einem Schlachtfeld irgendwo im Norden, in weit weniger ruhige Gefilde, über denen viel dunklere Schatten lasteten als hier über der Elbenhauptstadt. Jenseits der weißen Mauern von Astu Thilia lauerte Unvorhersehbares, und selbst wenn General Asduvarlun besonnen und ein herausragender Krieger war, barg die Welt dort draußen große Gefahren. Adilean hätte ihn zu gerne bei der Geburt ihres Kindes an ihrer Seite gewusst, damit man gleich danach die Hochzeit
vollziehen konnte, aber dem stand der Krieg entgegen, den jetzt alle Völker gemeinsam führen mussten. Zum wiederholten Mal in diesen Tagen war Adilean zum Tempel der zwölf Götter gegangen, um für ihre Angehörigen und ihren Verlobten zu beten. Selbst in den friedlichen Nachmittagsstunden erfüllte sie eine dumpfe, düstere Vorahnung, dabei hätte sie sich doch einfach entspannen und diese Schreckgespenster vergessen sollen. Das dunkle Gefühl verließ sie nie, verfolgte sie wie ein unnatürlicher Schatten, nahm allmählich das gesamte Zimmer ein. Es war der Schatten eines bedrohlichen Wesens, das immer und überall zuschlagen konnte.
Ihr war, als mische sich ein seltsames unheimliches Raunen in das Rauschen der Zweige, das nicht in die frische, sanfte Meeresbrise passte. Auch in Alyssas Harfenspiel schlich sich nun ein falscher Ton, was nicht nur an den mangelnden Fähigkeiten ihrer Hofdame lag.
Adilean öffnete die Augen und schaute sich mit einem missbilligenden Seufzer um. »Ich wäre beinahe eingeschlafen«, sagte sie bedauernd. »Ich glaube, ich habe geträumt, Alyssa. Ich habe geträumt, Amorannon würde zurückkommen. Er trug seinen blauen Umhang. Es war so schön.«
Irgendwo im Hof flog ein kleiner Vogel mit einem leisen Flügelschlagen auf. Alyssa unterbrach ihr Spiel und wandte ihm ihren blonden Lockenkopf zu. »Er kommt wieder, Lady Adilean«, sagte sie leise. »Er wird gemeinsam mit Eurem Vater und Euren Brüdern wiederkehren. Und dann wird Frieden im Land herrschen und Ihr werdet heiraten.«
Adilean schüttelte den Kopf und hielt mit ihren unsteten Augen nach dem kleinen Vogel Ausschau. Er war irgendwo und sang, aber sie konnte ihn nicht entdecken. »Du sagst das so, als stünde es bereits fest«, sagte sie. »O du Glückliche, du hast nie Zweifel! Ich kann nur noch zweifeln. Ich sehe ihn vor mir, wie er mitten in der Schlacht kämpft, und mache mir Sorgen. Und wenn ich von seiner Rückkehr träume, befürchte ich, dass es nur
ein böses Vorzeichen ist. Wahrscheinlich irre ich mich und du behältst recht und alles wird gut ausgehen. Aber ich werde so lange keine Ruhe finden, bis nicht alles vorbei ist.«
»Aber das solltet Ihr tun«, sagte Alyssa mit einem leisen Vorwurf und stellte die Harfe auf einen kleinen lackierten Holztisch neben sich. »Es ist nicht gut für Euer Kind, wenn Ihr Euch solche Sorgen macht. Und wenn General Asduvarlun heimkommt, möchte er doch Euch beide, Euch und das Kind, bei bester Gesundheit sehen.«
Adilean ging an den Rand der Veranda und atmete tief durch, sog den zu dieser Stunde intensiver werdenden Duft der Blumen ein. Einige von ihnen öffneten sich erst am Abend, dann zeigten sich große weiße sternförmige Blüten zwischen den dunklen Blättern der Büsche und verströmten dieses intensive Aroma, das nur Nachtblüher haben. Da oben auf der Pappel saß der kleine Vogel, wohl ein Stieglitz. Der Glückliche, ihn quälten keine Sorgen.
Alyssa nahm ihre Harfe. »Wir sollten jetzt besser hineingehen«, schlug sie vor. »Abends wird es immer kühler und eine Erkältung ist das Letzte, was Ihr jetzt gebrauchen könnt, Adilean. Gehen wir, hier ist Euer Schal.«
Mit diesen Worten reichte sie Adilean den Schal: Er war so leicht, dass er wie ein sanftes, blassblaues Nichts wirkte. Ihr Bruder Dhannam
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