THARKARÚN – Krieger der Nacht
hatte ihn ihr geschenkt, als sie der Familie verkündet hatte, dass sie schwanger sei, danach hatten sie gemeinsam gefeiert. Adilean wickelte ihn sich um die Schultern und befestigte ihn vorn über der Brust mit einer Brosche, einer fein gearbeiteten Silberscheibe, auf der mit eleganten, schwungvollen Linien ein Mond und eine Sonne eingraviert waren. Auch das war ein Geschenk, und zwar von Amorannon. Sie hatte ihn nie so glücklich gesehen wie damals, als sie ihm eröffnete, dass sie ein Kind bekommen würden. Sie hatte es natürlich zuerst ihm gesagt.
»Ja, Alyssa, gehen wir hinein.«
Im königlichen Palast war es weit weniger ruhig, eilige Schritte
hallten auf den Marmorplatten in den Fluren wider, und jemand hatte schon dafür gesorgt, dass flackerndes Kerzenlicht die weiten Säle erhellte. Adilean und Alyssa schritten den Gang entlang, die Hofdame folgte der Prinzessin, Adilean ging etwas schleppend, da sich ihre fortgeschrittene Schwangerschaft bemerkbar machte. Am Ende des Ganges, der zu ihren Gemächern führte, befand sich der Saal der Erinnerung. Adilean blieb davor stehen.
In diesem Saal wurden die kostbarsten Erinnerungsstücke der Elbenkönige aufbewahrt: ihr Schatz und ihre Geschichte zugleich. Keine Tür verschloss diesen Raum und er wurde nicht bewacht. Dabei lag er keineswegs so versteckt, es war nur so, dass sich die Elben in ihrem Palast sicher fühlten, und es gehörte zu ihrer Kultur, die Schönheit dadurch zu ehren, dass man sie zur Schau stellte.
»Würde es dich stören, wenn wir einen Moment hier anhielten? «, fragte die Prinzessin und nahm eine brennende Fackel von der Wand. »Es ist noch nicht Zeit fürs Abendmahl und keiner erwartet uns. Es wäre mir eine Freude.«
»Wie Ihr wollt«, antwortete Alyssa und folgte ihr. Als Adilean die Fackel hob, um den Raum zu erhellen, fiel ihr Schein auf die vergoldeten Stuckverzierungen, auf die Vitrinen und auf die darin aufbewahrten Schätze. Schmuck, den die berühmtesten Elbenköniginnen getragen hatten, Helme und Rüstungen der Prinzen und Könige, der alte Eschenstab, der Senofan Sulpicius gehört hatte, dem legendären König und Zauberer. Und in der Mitte des Raumes, in der größten Vitrine, ein Schwert, das einen merkwürdigen Gegensatz zu der ausladenden Pracht dieser Schätze bildete: Es hatte zwei Kerben in der Klinge und über die eiserne Klinge zog sich nur eine grobe Verzierung, eine stilisierte Figur, die wahrscheinlich eine Schlange darstellen sollte. Auf den ersten Blick sah diese Waffe nicht besonders wertvoll aus, aber wenn man näher kam, spürte man, dass von ihr etwas Besonderes ausging. Adilean bewegte sich langsam bis zur Mitte des Raumes und blieb dann vor der Vitrine mit dem Schwert stehen. Mit einer
Mischung aus Freude und Bewunderung betrachtete sie die Waffe.
»Das Schwert von Sarandon Sulpicius«, flüsterte sie. »Cailín, die Ehrenvolle. Sie sieht eigentlich nicht wie die Waffe eines Königs aus, oder? Dennoch ist es ein magisches Schwert, geschmiedet von den Rittern der Finsternis, das einzige Schwert, das diese kriegerischen Mönche je für einen Fremden gefertigt haben. Das ist ein uralter Orden, wusstest du das? Kentar selbst soll ihn gegründet haben und er hat sehr strenge Regeln. Aber sie schufen dieses Schwert für Sarandon, weil der Magus sie darum gebeten hatte, und sie machten es so schmucklos, weil alle ihre Waffen so sind. Doch es heißt, dies wäre das mächtigste Zauberschwert auf der ganzen Welt. Mit ihm hat Sarandon die Gremlins bekämpft. So erzählt man sich zumindest. Aber jetzt ist es nur noch ein – wenn auch wertvolles – Erinnerungsstück und vielleicht ist das alles auch nur eine Legende.«
Alyssa näherte sich ihr, hielt aber respektvollen Abstand zur Vitrine. »Ich möchte es nur zu gerne glauben«, gestand sie. »Warum sollte es nicht wahr sein? In alter Zeit hat sich Außerordentliches ereignet, Lady Adilean. Da dürfen wir auch glauben, dass dies hier das Schwert von Sarandon ist.«
»Ja, das dürfen wir.« Adilean nickte und trat noch einen Schritt näher. »Als ich ein kleines Mädchen war, kam ich oft hierher. Mir war immer, als würde ich eine besondere Kraft in seiner Nähe spüren. Aber vielleicht war das nur Einbildung.« Sie seufzte. »Sehr wahrscheinlich. Pure Einbildung oder die überschäumende Fantasie eines Kindes. Niemand wird dieses Schwert mehr führen, daher werden wir wohl nie erfahren, ob es tatsächlich magische Kräfte besitzt.«
Schweigend beobachteten sie
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