THARKARÚN – Krieger der Nacht
Stadt am Meer namens Shir Valdya.« Das zumindest war nicht gelogen. Dort war er tatsächlich geboren, auch wenn er nur kurze Zeit dort gelebt hatte, und da er immer mal wieder dorthin zurückgekehrt war, kannte er die Stadt recht gut. Shir Valdya, »Valdos Hand«, war die größte Hafenstadt im Elbenreich. Sie lag auf dem äußersten Zipfel eines Landausläufers, der tatsächlich die Form einer riesigen Hand hatte, die sich ins Meer erstreckte.
Thix erinnerte sich an die Kaimauern, den Südwind und die leichten Elbenschiffe mit silbernem Rumpf und weißen Segeln, die dort ankerten. Wie alle Elben liebte er das Meer. Wenn er lang genug leben würde, all die Reichtümer und die Macht angehäuft hätte, die er sich erträumte, und auch nicht mehr befürchten
musste, verfolgt zu werden, würde er sich nach Shir Valdya zurückziehen und sein Leben an dem Ort beschließen, wo es begonnen hatte.
»Manchmal vermisse ich das Meer«, fügte er hinzu und musste feststellen, dass er damit auch dieses Mal die Wahrheit gesagt hatte.
Der Elbe nickte und beugte sich im Sattel nach vorne. »Wir alle haben Heimweh«, pflichtete er ihm bei. »Hoffen wir, dass uns die Götter wohlgesinnt sind und dass wir eines Tages, wenn Frieden herrscht, wohlbehalten zurückkehren werden. Ich habe eine Frau und drei Kinder in Nil’ Drasha zurückgelassen, und je mehr Zeit vergeht, umso mehr Angst habe ich um sie. Bis jetzt hat das Böse nur wenige Teile des Elbenreiches heimgesucht, aber was, wenn unsere Mission scheitert? Ich weiß, dass meine Familie auf meine Rückkehr wartet, vor allem deshalb habe ich Angst, nicht mehr wiederzukommen. Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich fürchte nur das Leid meiner Liebsten.« Seine Augen unter dem Helm hatten einen entschlossenen Ausdruck angenommen. »Hast du Familie?«
Thix schüttelte den Kopf. »Ich habe weder Geschwister noch Frau und Kinder. Auch meine Eltern sind schon lange tot. Mein Vater ist eines Tages im Winter aufs Meer hinausgefahren und nicht wieder zurückgekehrt und meine Mutter hat eine heimtückische Krankheit dahingerafft. Ich habe niemanden, der auf mich wartet.«
Außer General Asduvarlun, und der will mich töten, fügte er in Gedanken hinzu. Allmählich nahm das Gespräch eine unangenehme Wendung für ihn, vor allem, weil in seinen Lügen allzu viele Wahrheiten steckten. An seinen Vater erinnerte er sich kaum noch, er wusste nur, dass er lange blonde Haare gehabt hatte, die fröhlich wippend auf seine Schultern fielen, und dass er Seemann gewesen war. Wenn er an seine Mutter dachte, fielen ihm die Geschichten ein, die sie erzählt hatte. Doch er erinnerte sich nicht gerne an seine Kindheit; Erinnerungen weckten Gefühle
und Gefühle störten seine Entschlossenheit. Er blickte zu Aldamir Calarion hinauf, der ihn mitfühlend ansah. Er musste ein guter Mensch sein, wenngleich sie unter anderen Umständen ein solches Gespräch niemals geführt hätten.
»Ich kann dich gut verstehen«, sagte der Elbe leise, »und fühle mit dir.Vielleicht sind deine Ängste nicht so groß wie meine, dafür hast du aber auch weniger Freuden. Ich hoffe, ein guter Geist wird dich in diesem Krieg begleiten, und wünsche dir, dass du jemanden finden wirst, mit dem du in Zeiten des Friedens Freud und Leid teilen kannst.«
»Vorausgesetzt, es wird Frieden geben«, zwang sich Thix zu sagen. Er konnte so viel Zuversicht nicht leiden und hasste es, bemitleidet zu werden. »Aber auch ich wünsche dir, dass du das Ende dieses Krieges, so es denn eines gibt, erleben wirst und wohlbehalten zurückkehrst.«
Aldamir nickte ihm dankbar zu und begann in den Taschen seines Mantels zu suchen. Dann zog er eine Anstecknadel aus Weißgold mit einem funkelnden blauen Stein hervor, um sie Thix zu überreichen, dabei lächelte er ihm aufmunternd zu. »Wohin dein Weg dich auch führen wird«, sagte der Elbenreiter und blickte Thix fest in die Augen, »ich möchte, dass du die Nadel immer bei dir trägst. Wenn du dich einsam und verloren fühlst, vergiss nicht, dass es einen Elbenbruder gibt, den du in der Fremde getroffen hast und der an dich denkt. Wann immer du einen Freund brauchst, Aldamir aus Nil’ Drasha ist für dich da.«
Nur mühsam konnte Thix seine Überraschung verbergen. Er streckte die Hand aus und ließ die Nadel in seine Tasche gleiten. Sie ist bestimmt wertvoll oder magisch, dachte er und blickte auf seine Gefährten, die vor ihm gingen. Sollte dieser Krieg zu Ende sein und wir ihn überlebt haben, werde
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