THARKARÚN – Krieger der Nacht
Alfargus zu reden, doch gleichzeitig wollte er alles über seine letzten Tage und auch über seinen Tod erfahren. Er hasste den Gedanken daran, auf welche grauenvolle Weise er ums Leben gekommen war, doch ständig hörte er eine laute Stimme in seinem Inneren, die wissen wollte, wer ihm das angetan hatte. »Weißt du, wer ihn umgebracht hat?«, fragte er ihn nach kurzem Zögern.
Elirion schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur das, was ich auch schon allen anderen gesagt habe«, erwiderte er. »Ich war nicht dabei, als es passierte. Andernfalls könntest du sicher sein, dass ich Alfargus gerächt hätte oder zusammen mit ihm gestorben wäre. Aber ich habe einen Verdacht. Ich habe immer noch diese merkwürdige Gestalt vor Augen, die die feindlichen Truppen anführte, dieses Bild bekomme ich einfach nicht aus dem Kopf. Du hättest ihn selbst sehen müssen, es gibt keine Worte, um das zu beschreiben, was man in seiner Anwesenheit spürt. Wer das auch ist, ich bin sicher, dass er deinen Bruder getötet hat.« Er seufzte. »Sagt dir der Name Tharkarún etwas?«
»Nie von ihm gehört.«
»Es ist der Name, den er deinem Bruder genannt hat«, erklärte Elirion. »Und ich könnte wetten, dass wir ihn bald wiedersehen werden. Ich möchte alles über ihn erfahren. Wenn du zu den Rittern der Finsternis gehst, erinnere dich an diesen Namen. Frag sie nach ihm. Sie wissen viele Dinge und vielleicht können sie uns weiterhelfen. Wirst du daran denken?«
»Das werde ich«, versprach Dhannam. Selbst wenn der Name ihm nichts sagte, klang er doch sehr beunruhigend in seinen Ohren. Ein dunkler Schatten schien auf einmal das Zimmer zu verdunkeln. Man durfte nichts unversucht lassen, um zu verstehen, was vorgefallen war. »Ich verspreche dir, wenn ich etwas erfahre, werde ich es dich ebenfalls wissen lassen.«
Elirion verbarg nicht, wie zufrieden er über diese Worte war. »Ich glaube, ich habe dich anfangs unterschätzt«, gestand er. »Ich dachte, dir würde die Kraft von Alfargus, seine Entschlossenheit fehlen. Aber jetzt sehe ich, dass auch du schnelle Entscheidungen treffen kannst.« Mit einer entschiedenen Geste, die seinen ganzen Stolz verriet, streckte er Dhannam eine Hand hin. »Möchtest du mir deine Freundschaft schenken, Elbenprinz?«
Dhannam nahm die ihm dargebotene Hand nicht gleich an. Er dachte daran, dass Alfargus so etwas niemals getan hätte, nicht einmal bei all dem Respekt, den er in seinen letzten Tagen für den jungen Menschen empfunden hatte. Aber er war nicht Alfargus, wiederholte er sich. Im Guten wie im Schlechten.
Er ergriff Elirions Hand und sah, wie dessen ernstes Gesicht sich entspannte. »In Kriegszeiten«, sagte er, »sollte man immer mit denen befreundet sein, die im Frieden vielleicht die erbittertsten Gegner wären. Ich bin mir ganz sicher, wenn wir uns in der Schlacht gegenüberstehen würden, würdest du mich fair behandeln. Eine faire Behandlung ist alles, worum ich dich bitte.«
»Die wirst du bekommen«, erwiderte Elirion. Er zog seine Hand zurück und berührte die Axt auf seiner Schulter. »Dein Bruder und ich, wir waren keine besonderen Freunde. Das ist kein großes Geheimnis. Aber er war ein sehr mutiger Mann, und ich habe nur wenige Leute in meinem Leben kennengelernt, die ebenso viel wert waren. Ich empfand Hochachtung vor ihm, und ein Gegner, den man respektiert, ist besser als ein Freund, den man verachtet.«
»Das sind weise Worte, König der Menschen«, sagte Dhannam lächelnd. »Dann kann ich ja auch etwas zugeben. Als ich mir zum
ersten Mal eine Meinung über dich gebildet habe, dachte ich, dass du zwar ein wertvoller, mutiger Mensch seist, aber nicht unbedingt weise. Wie es aussieht, haben wir uns beide geirrt.«
»So scheint es«, stimmte Elirion zu und lächelte.
SIEBENUNDDREISSIG
P RINZESSIN ADILEAN LAG auf ihrem Bett und ruhte sich gerade aus, als ihre Hofdame Alyssa unvermittelt ins Zimmer stürmte und einen versiegelten Brief hochhielt. Adilean stützte sich auf die Kissen und richtete sich neugierig auf, denn Alyssa war gewöhnlich nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Adilean hatte schon lange nichts mehr von der Front gehört, sie erwartete täglich eine Nachricht von ihrem Vater, ihren Brüdern oder ihrem Verlobten Amorannon. Dieses dunkle Stück Papier in der Hand ihrer Gesellschafterin ließ sie hoffen, und als sie Alyssa einen fragenden Blick zuwarf, nickte die.
»Er ist von Eurem Bruder Alfargus«, verkündete sie. »Der Bote, der ihn gebracht hat, sagte,
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